Wie kommt der Dolomit in die Dolomiten?

„Aber auch noch für anderes, Größeres sind die Dolomiten ein Wahrzeichen, so schön, wie man es nicht leicht wieder findet: für geologische Vergangenheit. In besonderer Klarheit liegt hier der geologische Bau zutage. Auch dem Fernerstehenden vermag das Bild eine Welt in Erinnerung zu bringen, von der man im gewöhnlichen Leben keine Ahnung hat, die Gedanken zurückzuführen in Zeiten und Verhältnisse, die jenseits aller Vorstellung des Alltags liegen.“

Bau und Bild der Südtiroler Dolomiten, von R.v. Klebelsberg, Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd. 57 (1926)

Die Landschaft der Dolomiten wird durch eine Mineral- bzw. Gesteinsart geprägt, die die „Bleichen Berge“ auch ihren Namen verdanken: Dolomit. Die charakteristischen Steilwände einige der bekanntesten Gipfel in den Dolomiten werden von der Hauptdolomit-Formation gebildet – 1876 in die Alpenstratigrafie eingeführt. Es handelt sich dabei um eine bis zu 1.000 Meter mächtige zyklische Abfolge von Dolomitgesteinbänke, die im Flachwasserbereich einer ausgedehnten Karbonatplattform des ehemaligen Tethys-Meer abgelagert wurden.

Hauptdolomit am Heiligkreuzkofel.

Es mag überraschen, dass die Genese dieses Gesteins noch heute nicht völlig geklärt ist. Der italienische Bergbauingenieur Giovanni Arduino, einer der ersten Gelehrten der Dolomit chemisch untersuchte, vermutete in 1779, dass Dolomit durch die Umwandlung von normalem Kalkgestein durch Magma entstanden ist. Eine Hypothese, die bis zum 19. Jahrhundert sehr beliebt war. Tatsächlich finden sich in den Dolomiten zahlreiche vulkanische Ablagerungen und Intrusionen – allerdings nicht immer in Kontakt mit Dolomitgestein.

Geologischer Schnitt durch die Tiroler Alpen. Die Sedimentschichten werden hier durch magmatische Basalt- und Porphyrintrusionen verkippt und verstellt. Zeichnung der amerikanischen Illustratorin Orra White Hitchcock (1796-1863) nach dem deutschen Geologen Leopold von Buch (1774-1853).

Eine ähnliche Arbeitshypothese vermutet eine chemische Reaktion zwischen Kalkformationen und Magnesium-gesättigte Lösungen, was zur Bildung von sekundären Dolomitgestein führt.

Viele Dolomitformationen in den Dolomiten (wie der Hauptdolomit) weisen fossile Verkarstungserscheinungen auf. Anscheinend tauchten sie nach ihrer Ablagerung als Kalkgestein eine Zeitlang über den Meeresspiegel auf. Es kam zu einer Mischung zwischen Süß- und Magnesiumhaltigen Grundwasser. Das chemische Ungleichgewicht führte dann zum Dolomitisierungsprozess. Diese Hypothese könnte auch erklären, warum einige Gipfel, wie die Marmolada und Latemar, noch aus den ursprünglich abgelagerten Kalkgestein bestehen. Anscheinend kam es hier nie zum Dolomitisierungsprozess, vielleicht weil wasserundurchlässige Gesteine das Eindringen von Niederschlag- und Grundwasser verhinderten.

Satteldolomit – Dolomit-Kristalle die durch Magnesium-gesättigte Lösungen gebildet werden.

Der amerikanische Geologe James Dwight Dana (1813-1895) bemerkte während einer Forschungsreise in den Südpazifik, dass Dolomit in trocken gefallenen Korallenstöcke gefunden werden kann. Eine wichtige Beobachtung, die zeigte, dass Dolomit unter normalen Temperaturen und direkt aus Meerwasser ausgefällt werden kann. Der russische Mikrobiologe Georgi A. Nadson veröffentlichte 1903 eine Studie über die Ausfällung von primären Dolomit aus Meerwasser durch Bakterien.

Grundsätzlich gibt es drei Arten der Karbonatfällung aus Meerwasser – abiotisch, biologisch kontrolliert und biologisch induziert. Abiotische Fällung erfolgt nach rein chemischen Prozessen. Organismen, die aus dem Meerwasser aktiv Karbonat fällen, waren und sind v.a. Kalkalgen, Schwämme, Korallen und Mollusken. Biologisch induziert Karbonatfällung nimmt eine Art Zwischenstellung ein. Hier verursachen Mikroorganismen Veränderungen in der Wasserchemie, was dann zur Ausfällung von Karbonat aus dem Meerwasser führt. Ablagerungen in Poren ist ein Beispiel für abiotische Karbonatproduktion, die Skelette von Korallen und Algen ein Beispiel für biologische Karbonatproduktion. Mikrobenmatten, wie sie oft in Gezeitenzonen gefunden werden, führen mittels biologisch induzierter Karbonatausfällung zur Ablagerung von Karbonatkrusten.

Kalkooide die durch abiotische Ausfällung von Karbonat um einen Kristallisationskeim entstehen.

Die Hauptdolomit-Formation wird nicht nur aus Meter-mächtigen Bänken aufgebaut, sondern zeigt auch eine unregelmäßige, fein laminierte Schichtung. Vergleiche mit modernen, ähnlichen Ablagerungsbereichen – z. B. die Karbonatplattform der Bahamas – lassen darauf schließen, dass es sich um fossile Bakterienmatten handelt.

Lamination der Hauptdolomit-Formation.

Bakterien und Algen spielten vermutlich eine wichtige Rolle in der Bildung des Hauptdolomits. In modernen Ablagerungsräumen ist Dolomit trotz mikrobieller Aktivität auf einige wenige, salzige Lagunen beschränkt. Während der Ablagerung des Hauptdolomits in der Tethys vor über 200 Millionen Jahre, herrschten anscheinend besondere Bedingungen, die zunächst die Ausfällung von Kristallen aus Magnesiumhaltigen Aragonit (Ca[CO3]+Mg) aus dem Meerwasser begünstigten. Durch die Aktivität von Mikroorganismen reicherte sich Magnesium im Karbonatschlamm an und der Mg-Aragonit wandelte sich schließlich in reines Calcium-Magnesium-Carbonat – CaMg[CO3]2 oder Dolomit – um.

Ein Großteil des Dolomits in den Dolomiten wird heutzutage als eine Mischung von sekundär gebildeten Dolomitgestein und primären Dolomit erklärt, wobei der primäre Dolomit durch biologisch induzierte und abiotischer Ausfällung entstanden ist.

Literatur:

Autor: David Bressan

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