Tunnelbau in den Alpen

„Als noch drei Ellen zu durchstechen waren, so vernahm man die Stimme des einen, der dem anderen zurief, denn es war ein Spalt im Felsen … Und am Tage der Durchstechung schlugen die Steinhauer entgegen, Hacke auf Hacke.“

Beschreibung des Durchschlags des Soloha-Tunnels in Israel, der vor 2.700 Jahren als Bewässerungskanal angelegt wurde.
Der Bau des Mont-Cenis-Tunnels zwischen Italien und Frankreich.

Kein anderes Hochgebirge der Erde ist von so vielen Tunnels durchzogen wie die Alpen. Es existieren mehr als 720 Kilometer Tunnellänge. Bereits in der frühen Bronzezeit wurden Stollen und Schächte angelegt für den Abbau von Kupfererz. In Nordtirol wurde ein 25 Meter langer Schacht auf ein Alter von 2.800 Jahren datiert. Die aufwendigen Anlagen für Erzabbau und –schmelze weisen darauf hin, dass hier professionelle Bergleute am Werk waren. Knochenreste zeigen weites an, dass sie gut versorgt wurden, mit Fleisch von Schwein, Schaf, Ziege und Rind (wobei Ochsen auch als Zugtiere verwendet werden konnten). Überraschenderweise war der konventionelle Vortrieb, mit Hammer, Meißel und Muskelkraft, noch weit bis ins 17.Jahrhundert üblich. Erste Versuchssprengungen mit Schwarzpulver wurden um 1627 durchgeführt. Der 1679-1681 ausgeführte Malpas-Tunnel in Frankreich war der erste durch Sprengungen aufgefahrene Verkehrstunnel. Im Jahr 1857 wurden am Mont-Cenis-Tunnel zwischen Frankreich und Italien zum ersten Mal hydraulische Bohgeräte eingesetzt und in 1867 erfand Alfred Nobel das Dynamit, das sicheren Sprengstofftransport und Sprengungen im Berg ermöglichte.

Tunnelbohrmaschine um 1881.

Franz von Rziha verfasste in 1872 das umfassende „Lehrbuch der gesammten Tunnelbaukunst“ und führte mit der „Gesteinsclassification für Tunnelbauten“ die sieben Gesteinsklassen ein, die auch noch heute im Tunnelbau zur Anwendung kommen um das Gebirge nach geotechnischen Gesichtspunkten einzuteilen – denn mineralogisches Gestein ist nicht gleich geotechnisches Gestein.

Es giebt, um thatsächliche Beispiele anzuführen, Kalk- und Sandsteine, die vom Mineralogen mit einem und demselben Härtegrad belegt und von ihm in ein und dieselben Klasse gereiht werden, welche aber der Gewinnungsarbeit so verschiedenartige Aufwand abringen, dass jene Fälle nicht selten sind, wo die Gewinnungskosten in einem Falle noch einmal so viel, als in dem anderen betragen.

Die Alpen bestehen aus einem Stapel von bis zu 15 Kilometer dicken Decken, die um 10 bis 200 Kilometer über das darunter liegende Grundgebirge geschoben wurden. Große Störungszonen und Falten kennzeichnen daher das Gebirge. Wenn ein Tunnel aufgelockerten Fels durchörtert, kann der Fels sich lösen und in den Tunnelquerschnitt eindringen. Geologen erstellen daher ein geologisches Modell, um Schwächezonen rechtzeitig zu erkennen. Die Tunneltrasse kann dann angepasst werden, z.B. Störungszonen vermieden werden oder bestimmte Tunnelabschnitte werden mit Stahlbögen und Gebirgsankern verstärkt. Der im Jahr 1911 fertiggestellte 13.735 Meter lange Lötschbergtunnel in den Schweizer Alpen, war der erste Tunnel, bei dem geologische Vorerkundungen durchgeführt wurden.

Der bisher längste Tunnel in den Alpen ist der 57 Kilometer lange Gotthard-Basistunnel, der 2016 fertiggestellt wurde. Auch hier mussten mehrere Störungszonen durchörtert werden. Wenn der Brenner-Basistunnel im Jahr 2026 fertiggestellt wird, wird er mit einer Länge von 64 km die längste unterirdische Eisenbahnverbindung der Welt sein. Der Tunnel hat im Jahr 2014 die Periadriatische Naht durchörtert, eine der größten Störungszonen in den Östlichen Alpen.

Gneis-Block aus dem Gotthard Basistunnel – der helle Leventina-Gneis geht im Bereich des Gotthardmassivs zum dunkleren, stark verfalteten Lucomagno-Gneis über.

Literatur:

  • RZIHA, F. (1872): Lehrbuch der gesammten Tunnelbaukunst. Ernst & Korn Verlag: 900

Autor: David Bressan

Bressan-Geoconsult bietet geologische Dienste im Alpenraum an, mit Schwerpunkt auf geologische Kartierung, Betreuung von Bohrungen, Quartärgeologie, Hydrogeologie und Baugeologie. Kontakt: david@bressan-geoconsult.eu