„Müßt‘ einer schon a narreter Teufel sein, dass er da umasteigat.“
Mitt. Des Deu. Oe. Ap., 1917
Die Nacht vom 5. zum 6. Dezember ist Krampusnacht, wenn der Krampus, halb Ziege und halb Mensch, die Häuser von unartigen Kindern besucht. Die dunklen, langen Winternächte waren in den Alpen schon immer eine unheimliche Zeit. Besonders gefürchtet war die Zeit zwischen den 25. Dezember zum 6. Jänner, die sogenannten Raunächte. In diesen Nächten waren die Perchten unterwegs, eine Schar von unheimlichen Tiergeistern.
Viele der Perchten haben die Hufe und die Hörner eines Steinbocks. Gamswild sieht man eher selten, obwohl – laut Sage – die Gams, mit ihren hakenförmigen Krucken und schwarzen Fell, eigens vom Teufel geschaffen worden sein soll um die jungen Jäger ins Gebirge und so in ihr Verderben zu locken. Sogar der große Naturforscher Saussure schreibt in seinem Buch Voyages dans les Alpes (1786-1796) noch, dass die Gemsjäger “in den Wildnissen mit dem Teufel Umgang [hätten], der sie dann endlich in den Abgründen stürze.”
In diesen Sagen steckt ein Körnchen Wahrheit.
Die charakteristischen Steilwände einige der bekanntesten Gipfel in den Dolomiten werden von der Hauptdolomit-Formation gebildet, die 1876 in die Alpenstratigraphie eingeführt wurde. Es handelt sich um eine bis zu 1.000 Meter mächtige zyklische Abfolge von Dolomitgestein-Bänken die in der Trias, vor 216 bis 203 Millionen Jahre, im Flachwasserbereich einer ausgedehnten Karbonatplattform in der Tethys-See abgelagert wurden. Vergleichbare Ablagerungsbereiche können heutzutage z.B. im tropischen Meer rund um die Bahamas-Inseln gefunden werden.
Seltsame halbrunde Formen mit einer Spalte dazwischen, die in dieser Gesteinsformation gefunden werden können, wurden von Bauern und Hirten des Pustertales und des Gadertales manchmal als Hufabdrücke des Tuifl erklärt. Der Krampus oder Teufel heißt im Pustertal “Tuifl” und hat die Gestalt eines Geißbocks, einschließlich Bocksfüßen und gespaltenen Hufen.
Tatsächlich handelt es sich um die Querschnitte von Muscheln. Vergraben im Kalkschlamm der Trias-Karbonatplattform lebten große Muscheln der Gattung Megalodon.
Nach ihrem Absterben füllten sich die nun leeren Schalen mit feinem Kalk und blieben als Fossilien erhalten. Durch Erosion werden die herz- bis hufförmigen Querschnitte der beiden Muschelschalen heutzutage wieder freigelegt.
„Nördlich vom Dorf Oberplanitzing bei Kaltern breitet sich die Gand aus, ein Trümmerfeld, besät mit wüsten Felsgeröll, als wäre in der Urzeit ein Berg in sich zusammengebrochen. In grauer Vorzeit stand hier eine schöne und große Stadt. Eine uralte, noch immer trotzig aufragende Ruine, der St. Georgs Turm genannt, gibt heute noch Zeugnis davon. Die Bewohner dieser Stadt waren überaus reich, darum aber auch stolz und übermütig. Einmal, es war gerade Fasnacht , wollten die ausgelassenen Städter einen lebendigen Ochsen die Haut abziehen. Da kam ein furchtbares Gewitter auf und das Wasser stürzte von allen Berghängen in die Tiefe. Der benachbarte Berg wurde so gründlich unterspült, dass er auf die Stadt niederstürzte und dieselbe mit Mann und Haus unter den Felstrümmern begrub. Seit der Zeit hat es kein Mensch mehr gewagt, sich in der Gand anzusiedeln, nur der Hirte treibt die Ziegen dorthin auf die Weide.“
„Eine große Anzahl von Volkssagen verdankt ihre Entstehung dem Bedürfnis des Volkes nach einer Erklärung für gewisse auffallende reale Gegebenheiten seiner Umwelt. Eine Erscheinung in der Natur … auffallende Formen etwa eines Steines oder Berges … Dinge und Erscheinungen, deren Dasein auch dem naiven Beobachter auffällt und nach einer Erklärung verlangt, finden diese Erklärung, meist mit einfachsten Mitteln, durch die Erzählung, deren ganzen Sinn und Wert kein anderer ist als eben die Beantwortung der Frage nach dem Warum … Eine zweite Gruppe von Volkssagen ist aus irgendeinem tatsächlichen Ereignis herausgewachsen.“
Deutscher Sagenforscher Friedrich Ranke.
Der felsige Untergrund im unteren Etschtal besteht aus den sogenannten Bozner Porphyr oder nach moderner Bezeichnung die Etschtaler Vulkanit-Gruppe/Südtiroler Vulkanitkomplex. Aus diesen Gestein besteht auch der Bergsturz vom Gandberg, der mehr als einen Quadratkilometer mit unzähligen großen und kleinen Porphyrblöcken bedeckt. Durch Bohrungen und Aufschlüsse lässt sich die Mächtigkeit der Bergsturzablagerungen auf wenige Meter bis zu einigen Zehnermeter eingrenzen, darunter folgen bis zu 100 Meter mächtige fluvioglaziale schluffige Kiese mit Steinen.
Dieser Bergsturz heißt im Volksmund die Eppaner Gand (Gand, ein altes langobardsches Wort das so viel wie Felssturz oder Trümmerfeld bedeutet).
Die Bergsturzmasse liegen zwischen 515 bis 520 Meter ü.d.M. und ist durch eine langgezogene Mulde und den Lambrech-Hügel gekennzeichnet, beides Formen die durch die Bewegung und Ablagerung des Bergsturzes entstanden sind. Das Sturzfeld ist mit einem Wald aus Edelkastanien und Föhren bedeckt, große Teile sind auch unbewachsen.
Das grobe Blockwerk führt auch zum Phänomen der Eislöcher. Luft strömt durch ein Spaltensystem zwischen den Porphyrblöcken der Geröllhalde, die auf den Fuße des Bergsturzes aufliegt, von oben nach unten und kühlt sich dabei ab. Die schwere kalte Luft bleibt als Kaltluftsee von etwa fünf Metern Höhe in der Mulde liegen. Die Temperatur kann bis zu 20° kühler sein als auf der nahen Kuppe des Lambrech-Hügels.
Infolge diesen kühlen Klimas gedeihen hier Pflanzen die sonst nur wesentlich höher, bis zu 1.000 Meter, in alpinen Regionen zu finden sind. An der Basis der Senke gedeihen kälteresistente Pflanzen, am Rand dagegen wärmeliebende Pflanzen. Über 600 Pflanzenarten können hier auf engsten Raum gefunden werden, davon über 160 Flechtenarten. Man kann mit wenigen Schritten vom Submediterranean Buschwald, mit der Kastanie, zu einem Subalpin-montanen Fichtenwald zur subalpiner Zwergstrauchheide, mit der Alpenrose, zu einem Alpin-subalpinen Rasen, mit Alpen-Rispengras, Flechten und Moose, gelangen.
„Unter diesen chaotischen Steinmassen tiefen sich da und dort schaurige Löcher und Höhlen, in welchen man zur heißen Sommerszeit eine fast unerträgliche Kälte, selbst unvergängliches Eis, und an dessen Rand, merkwürdig genug, die blühenden Alpenrosen und den wohlriechenden Speik findet.“
Johann Jakob Staffler, 1846.
Das Alter des Bergsturzes ist unbekannt, er muss aber jünger als die letzte Eiszeit sein, da er auf gerundeten Geröllen und Schottern aufliegt welche dort offenbar von der Etsch nach Abschmelzen der Gletscher abgelagert worden sind. Gerölle aus diesen Ablagerungen wurden auch für eine kleine Kapelle in der Nähe verwendet. Auch ein historisches Alter wurde vorgeschlagen, da es eben eine Sage gibt, die sich um eine durch den Bergsturz verschüttete Stadt dreht.
„Manche der eingangs angeführten Schriftsteller… nehmen jedoch an, daß die Eppaner Gand überhaupt nicht durch einen einzigen Bergsturz, sondern durch mehrere, in größeren Zeiträumen aufeinander-folgenden Bergstürze aufgeschüttet, daß insbesonders die Talfurche an ihrem Südende erst durch einen viel jüngeren, nach mündlicher Überliefern um das Jahr 1000 nach Christus erfolgten Bergsturz zugeschüttet worden sei und daß die Siedlung auf der Lambrech bis zu dieser Zeit bewohnt … seien. Allen diesen Annahmen fehlt es jedoch an einer sicheren tatsächlichen Grundlage.“
Wilhelm Pfaff (1933) „Die Eislöcher in Ueberetsch ihre Vegetationsverhältnisse und ihre Flora.„
Literatur:
MAHLKNECHT, B. (1989): Südtiroler Sagen. Athesia Verlag, 3. Auflage.
De ròba vèyes e de prùmes tèmpes ay ò aldì e vo kantè bayèdes!
Von alten Dingen und von alten Zeiten hab ich gehört und will ich nun erzählen!
Spruch der ladinisches Cantastòries
Mythen und Sagen sind ein früher Versuch des Menschen, Unverständliches verständlich zu machen. Die Eigenart der Dolomiten, mit ihren hoch aufragenden Gebirgsstöcke umsäumt von sanften, Gras bewachsenen Böden dazwischen, regte die Phantasie der Menschen an. Lange bevor die moderne Geologie die Eigenart der Dolomiten auf Gesteinsbildung (Lithogenese), Gebirgsbildung (Orogenese) und Oberflächen- und Landschaftsbildung (Morphogenese) zurückführte, erklärten sich die Ladiner die Geburt der Bleichen Berge folgendermaßen:
Vor langer Zeit heiratete der Königssohn eines vergessenen Reiches im Gebiet der heutigen Alpen die Mondprinzessin. Die beiden liebten sich über alles, doch konnte der Prinz das gleißende Licht das auf dem Mond herrschte kaum, seine Gemahlin den Anblick der grauen Felsen und dunklen Wälder in den Bergen überhaupt nicht ertragen. An ein gemeinsames Leben war nicht zu denken und so trennten sich die beiden Liebenden schweren Herzens.
Eines Tages, als der unglückliche Prinz wieder einmal allein im Wald umherirrte, traf er den König der Zwerge, der nach Siedlungsland für sein Volk Ausschau hielt. Nachdem er sich die traurige Geschichte angehört, versprach der Zwergenkönig dem jungen Prinzgemahl im Austausch gegen die Erlaubnis, sich mit seinem Volk in den Wäldern häuslich nierderzulassen, die Berge des Reiches der Dolomiten in hellem Glanz erscheinen zu lassen. Der Bund wurde durch Handschlag besiegelt und in der darauffolgenden Nacht fing das Zwergvolk das Mondlicht Strahl für Strahl ein und überzog damit die dunklen Felsen. Mit der Rückkehr der Mondprinzessin kehrte auch das Glück wieder in das Reich der Dolomiten ein.
Die schönsten Sagen aus dem Gadertal (1993)
Im Unterschied zu den Penninikum und Austroalpinen Decken im Norden, mit dem das Südalpin die ehemalige geographische Lage entlang des Kontinentalrandes der Afrikanischen Platte gemeinsam hat, ist das Südalpin durch eine geringe tektonische Verformung (zumeist lokale Überschiebungen) und geringer Metamorphosegrad gekennzeichnet. Während die Randgebiete der Dolomiten von metamorphen, relativ dunklen, Gesteinen wie Phyllite, Glimmerschiefer und Gneise geprägt werden, findet man in den Dolomiten noch große Gebiete mit relativ ungestörten Abfolgen von hellen Kalken und Dolomitgestein.
Die Landschaft der Dolomiten wird durch eine Mineral- bzw. Gesteinsart geprägt, die den Bleichen Berge auch ihren Namen verdanken: Dolomit. Dolomit ist ein wichtiges Mineral und Gesteinsart – Gebirge wie die Dolomiten, Teile des Apennin und die Dinariden verdanken diesen Mg- haltigen Karbonatgestein ihre karge Schönheit. Die charakteristischen Steilwände einige der bekanntesten Gipfel in den Dolomiten werden von der Hauptdolomit-Formation gebildet – 1876 in die Alpenstratigraphie eingeführt. Es handelt sich dabei um eine bis zu 1.000 Meter mächtige zyklische Abfolge von Dolomitgestein-bänken, die in dem Flachwasserbereich einer ausgedehnten Karbonatplattform der Tethys-See abgelagert wurden.
Bis um 1271 wurde die Grafschaft Tirol nur als „Land im Gebirge“ bezeichnet. Ab 1876 setzte sich dann der Name Dolomiten für die veraltete Bezeichnung der Bleichen Berge durch und seit dem ersten Weltkrieg tragen die Dolomiten auch ofiziell diesen Namen. Übrigens der einzige Fall, in dem das Mineral einer Gegend den Namen gab und nicht umgekehrt.
Die schwierige Suche nach Erzadern, neben geologischen Kenntnissen spielt auch Glück eine Rolle, führte dazu, dass das einfache Volk sich den Bergsegen in den Alpen nur durch zauberkundige Wesen oder unheimliche Kräfte erklären konnte – manchmal in der Gestalt von Tieren.
Tiere spielen in mancher Sage zur Gründung eines Bergwerks eine wichtige Rolle, vor allem in der Steiermark, Tirol und im Salzburgischen Land. Meist sind es Pferde, Ochsen, Ziegen oder Jagdwild die mehr oder weniger zufällig eine Erzader anzeigen. Laut Sage wurde das Erz von Schwaz in Tirol durch einen wilden Stier entdeckt, der mit seinen Hörnern das Erdreich aufwühlte und so die Erzadern bloßlegte. Eine sehr ähnliche Sage erzählt man sich über die Entdeckung des Kupfers bei Prettau.
„Vor langer Zeit trieb ein Bauer einen Stier, den er auf dem Markt gekauft hatte, über den Alpenhauptkamm vom Zillertal ins Ahrntal. Der Bauer hatte seine liebe Not mit dem bösartigen Tier, kaum hatte er es mit dem Stock gebändigt, riss es sich los und stürmte vom Weg. Der Bauer folgte dem Tier, dass in seiner Wut ein großes Loch mit seinen Hörnern in den Boden gegraben hatte. Dem Bauer fielen einige Brocken und vor allem der goldene Glanz des Gesteins auf. Ein örtlicher Schmied bestätigte ihm, dass es sich beim Erzgestein zwar nicht um Gold (wie im Zillertal gefunden) handelte, aber doch um ein wertvolles Gut – nämlich Kupfererz.“
In einer Variante dieser Sage wirft ein Hirte einer störrischen Kuh einen Stein hinterher. Ein Berggeist, der zufällig vorbeikommt, ruft daraufhin aus: „Halt Bua! Da Stoan gilt mehr als d´Kuah!!“ Es stellt sich heraus, dass der Stein aus Erz oder Gold besteht. Selbst Paracelsus, der sich als Mediziner und Alchemist für Metallurgie und Bergbau interessierte, erwähnt diese Sage um 1603.
Neben Vieh treten in Sagen auch andere Tiere als zufällige Entdecker von Erzadern auf.
„Ein Graf, der Schlossherr von Straßburg, ritt einmal in das Pflerschtal auf die Jagd. Als er ganz drinnen bei den Felsen war, musste er vom Pferd steigen, um das Wild verfolgen zu können. Er band also den Gaul an einen Baum. Nach Stunden, wie er wieder zurückkam, sah er, dass das Pferd ein Loch in den Boden gescharrt hatte und aus diesem das gediegene Erz hervor funkelte. So wurde die erste Erzader in Pflersch entdeckt.“
Wilde Tiere spielen eher eine indirekte Rolle in den Sagen, wie dieses Beispiel, dass die Entdeckung von Silber am Schneeberg, erzählt:
„Einst zog ein Jäger aus dem Passeiertal in die Berge, um Gamswild und Steinböcke zu jagen. Als er zu Seemoos auf einem Felsblock ruhend die umliegenden Grate nach dem Wild abäugte, sah er plötzlich am Ufer des stillen Alpsees eine Frauengestalt sitzen, angetan mit einem silberschimmernden Kleid. Die winkte den Jäger zu sich und zeigte ihm funkelndes Edelgestein, das in ihrem Schoß lag. All die Schätze wollte sie dem Jäger geben und deren Fundstellen zeigen, wenn er ihr verspreche, abzulassen von der weiteren Jagd des unter ihrem Schutz stehenden Wildes. Sie drohte ihm aber auch mit schwerer Strafe, wenn er seinen Schwur brechen würde, und ebenso plötzlich war sie verschwunden. Der Jäger zerschmetterte seine Armbrust und leistet den Schwur, worauf das Salige Fräulein ihm Spalten voll Silbererz in den Felswänden zeigte. Stollen um Stollen wurden nun eröffnet, und überall fand sich reiches Erz. So viele Knappen wurden am Schneeberg beschäftigt, dass bald ein ganzes Dörflein mitten in der unwirtlichen Bergwelt entstand.“
Auch in Zusammenhang mit dem Verfall eines Bergwerks wird oft über Tiere berichtet, wie das Ende der Sage zeigt:
„In den alten Tagen des Jägers erwachte jedoch wieder die Jagdlust; er verfertigte sich eine neue Armbrust und erlegte an einem Sonntag einen prächtigen Gamsbock. Doch die Strafe folgte sogleich: ein Felsblock löste sich und zermalmte den Frevler unter seinen Sturz. Als die Knappen am nächsten Tag zur Grube kamen, fand sich kein Silbererz mehr, sondern bloß wertloses Blendegestein, das sich nicht schmelzen ließ.“
Frevel gegenüber der Natur wird dementsprechend bestraft.
„Einst, so eine Sage aus Halle, zogen die verzogenen Knappen von Schwaz, nach einem ausgiebigen Gelage, einem zufällig vorbeikommenden Ochsen aus Jux die Haut bei lebendigen Leibe ab. Die Knappen fuhren danach in die Stollen ein, aber die Strafe für ihren Frevel folgte bald. Die Berggeister erwürgten jeden einzelnen von ihnen und die Stollen füllten sich mit Wasser. Noch heute fließt ein Rinnsal aus dem ehemaligen Bergwerk, noch immer blutrot gefärbt (vielleicht eine Anspielung an Erzauscheidungen aus dem Grubenwasser).“
Diese Sage ist in Nord- und Südtirol in verschiedene Varianten, die sich hauptsächlich in den grausamen Details (so wird zusätzlich noch Salz auf den Wunden des Tieres gestreut) unterscheiden, recht verbreitet.
Literatur:
HEILFURTH, G. (1968): Südtiroler Sagen aus der Welt des Bergbaus. An der Etsch und im Gebirge, Band 25: 75
PETZOLDT, L. (1990): „Knappentod und Güldenfluss“ zu den Bedingugen bergmännischer Folklore in Tirol. In AMMANN, G. Silber, Erz und Weisses Gold, Bergbau in Tirol, Innsbruck.
Einst zog ein Jäger aus dem Passeiertal in die Berge, um Gamswild und Steinböcke zu jagen. Als er zu Seemoos auf einem Felsblock ruhend die umliegenden Grate nach dem Wild abäugte, sah er plötzlich am Ufer des stillen Alpsees eine Frauengestalt sitzen, angetan mit einem silberschimmernden Kleid. Die winkte den Jäger zu sich und zeigte ihm funkelndes Edelgestein, das in ihrem Schoß lag. All die Schätze wollte sie dem Jäger geben und deren Fundstellen zeigen, wenn er ihr verspreche, abzulassen von der weiteren Jagd des unter ihrem Schutz stehenden Wildes. Der Jäger zerschmetterte seine Armbrust und leistet den Schwur, worauf das Salige Fräulein ihm Spalten voll Silbererz in den Felswänden zeigte. Stollen um Stollen wurden nun eröffnet, und überall fand sich reiches Erz. So viele Knappen wurden am Schneeberg beschäftigt, dass bald ein ganzes Dörflein mitten in der unwirtlichen Bergwelt entstand.
In den alten Tagen des Jägers erwachte jedoch wieder die Jagdlust; er verfertigte sich eine neue Armbrust und erlegte an einem Sonntag einen prächtigen Gamsbock. Doch die Strafe folgte sogleich: ein Felsblock löste sich und zermalmte den Frevler unter seinen Sturz. Als die Knappen am nächsten Tag zur Grube kamen, fand sich kein Silbererz mehr, sondern bloß wertloses Blendegestein, das sich nicht schmelzen ließ
Sage, die in einer handschriftliche Aufzeichnung im Bergwerkshaus zu St. Martin am Schneeberg nacherzählt ist. Hier ist die Fundgeschichte mit dem Motiv der bestraften Freveltat verknüpft, das in den Bergbausagen des alpinen Raumes weit verbreitet ist.
…dimidium loatum boni argenti de Sneberch…
Erste Erwähnung des Bergbaus am Schneeberg in einem Schreiben das auf den 24. Dezember 1237 datiert ist.
Seit jeher suchen die Menschen nach den Schätzen der Erde und versprechen sich davon Reichtum und Glück. Die ersten Erze fand der Mensch an der Erdoberfläche in Form von Ausbissen von unterirdischen Erzlagern. Dass bei diesen ersten Funden wohl der Zufall eine große Rolle spielte belegen auch viele Sagen, wie die vom Schneeberg im Passeier- und Ridnauntal.
Die Blei-Zink-Erzlagen, zumeist Zinkblende (ZnS), Bleiglanz (PbS), Kupferkies (CuFeS2), Magnetkies (FeS), Pyrit (FeS2), streichen am Schneeberg in einer Höhenlage von 2.000 bis auf über 2.500 Meter aus, und sind an die Biotitporphyroblastenschiefern des Ötztale-Stubai-Kristallins gebunden.
Zum Abbau wurde die Knappensiedlung St. Martin an der Schneeberger Weissen auf 2.300 Meter Seehöhe gegründet. Der Bergbau war mindestens 800 Jahre aktiv, bis er zwischen 1979-85 eingestellt wurde und 1992 in ein Schaubergwerk umgewandelt wurde. Brandhorizonte und Silexfunde weisen darauf hin, dass die Gegend auch von prähistorischen Menschen aufgesucht wurde, ob schon zur Erzgewinnung ist ungewiss.
Die ältesten gesicherten Zeugnisse für Bergbau in Südtirol konnten in Klobenstein am Ritten nachgewiesen werden, wo Tonscherben, Klopf- und Reibsteine und Schlackenreste („Klingelsteine“) auf 1.200-1.000 v. Chr. datiert wurden. Der Bergbau am Schneeberg wird um 1237 zum ersten Mal urkundlich erwähnt, wobei der Silberabbau aufgrund des geringen Silberanteils schon damals kaum noch rentabel war. Der Abbau von Blei wurde ab Mitte des 15. Jahrhundert immer bedeutender, da das Silber von Schwaz in Nordtirol nur mit Hilfe des Bleis vom Schneeberg aus dem Erz ausgetrieben werden konnte. Der Tiroler Bergbau erlebte daraufhin einen Aufschwung und in wenigen Jahrzehnten erlangte er europäische Bedeutung (besonders um 1560/1570). Am Schneeberg waren um 1486 nicht weniger als 1.000 Knappen im Bergbau beschäftigt, zunächst im Abbau von Bleiglanz und schließlich Zinkblende, die nach 1870 das Haupterz am Schneeberg war.
Literatur:
HEILFURTH, G. (1968): Südtiroler Sagen aus der Welt des Bergbaus. An der Etsch und im Gebirge, Band 25: 75
In der Walpurgisnacht, die Nacht zum 1. Mai, treffen sich nach dem Volksglauben die Hexen und Zauberer an bestimmten Orten, wie Waldlichtungen, Richtstätten oder auf markanten Bergen, um den „Hexensabbat“ zu feiern. Einer dieser angeblichen Treffpunkte ist der 2.563 Meter hohe Schlern.
Hexen vom Lengstein am Ritten, vom Nonsberg und vom Sass de Stria trafen hier auf die Schlernhexen. Man speiste und trank und alle tanzten unermüdlich im Hexenring bis zum Morgengrauen. Dabei trat auch der Teufel selbst in Erscheinung, oft in der Gestalt eines Ziegenbocks.
Unter der Anleitung des Teufels lernten Hexen und Hexenmeister angeblich auch Schadenszauber. Mit Hilfe von Zauberformeln und Zaubertränke konnten Mensch und Vieh verhext und Krankheiten verursacht werden. In Wölfe verwandelt, wurde von den Hexen auch das Vieh auf den Weiden gerissen. Am schlimmsten war der Wetterzauber. Durch Peitschen des Wassers wurden Gewitter heraufbeschworen, aus Wasser und Steinen wurde Hagel gemacht und mit anderen Zaubereien wurde Eis und Stürme heraufbeschworen. Dieser Aberglaube führte im Mittelalter auch zur grausamen Hexenverfolgung, da man die angeblich Schuldigen an Unwetter und Unglück bestrafen wollte. Hexenprozesse fanden auch in der Nähe des Schlern statt, nämlich bei Schloss Prösels in Völs.
Erst im Morgengrauen verschwand der Spuk, wenn der Teufel zurück in die Hölle musste und sich die Hexen und Hexenmeister wieder in alle Winde verstreuten.
Der Schlern ist ein ehemaliges Meeresriff, das sich über vulkanische Gesteine erhebt. Der Gipfel wird von einem breiten Hochplateau eingenommen, das übrig blieb als der überdeckende Hauptdolomit abgetragen wurde. Das Hochplateau wurde seit mindestens der Bronzezeit von Menschen genutzt. Es verwundert daher nicht, dass auch zahlreiche Sagen hier angesiedelt sind.
In den vulkanischen Gesteinen können typische Abkühlungsklüfte gefunden werden, die Basaltsäulen bilden. Die sechseckigen Querschnitte werden in den lokalen Sagen als „Hexenstühle“ bezeichnet, da sie – so die Sage weiter – während des Hexensabbat als Sitzgelegenheiten für Hexen und Dämonen dienen. Eisenhaltigen Konkretionen die in den Verwitterungsresten der Sedimentgesteine gefunden werden können, wurden in der Sage als Nägel, die aus den Schuhen der tanzenden Hexen herausgefallen sind, gedeutet.
Literatur:
BENEDIKTER, H. (2000): Hexen und Zauberer in Tirol. Athesia Tappeiner Verlag, Bozen: 384