Pflanzen der Alpen: Kalk- und Silikatanzeiger

„Das Gestein erzeugt die Formen der Pflanzen. In der Region des Felsigen können im Allgemeinen in dem daselbst herrschenden ungleichförmig gemengten Boden nur solche Pflanzen auftreten, die gewisse Gesteinsgruppen zu ihrer Unterlage vorziehen.
In der Region des Zertrümmerten können im Allgemeinen in dem daselbst herrschenden gleichförmig (aus Kalkerde, Kieselerde und Thonerde) gemengten Boden nur solche Pflanzen auftreten, die alle Gesteinsgruppen ohne Unterschied zu ihrer Unterlage wählen können.“

STUR, D. (1856): Über den Einfluss des Bodens auf die Vertheilung der Pflanzen. Als Beitrag zur Kenntniss der Flora von Österreich, der Geographie und Geschichte der Pflanzenwelt.

Die Pflanzenwelt ist das Kleid der Erde, das als lebende und belebende Hülle ihre tote Masse bedeckt, die Starrheit ihrer Formen mildert und jeden Teil der Bergwelt recht eigentlich erst einen Reiz verleiht. Sie ist es, die unsere Matten gleich einen üppigen musterreichen Teppich vor die schroffen Felswände hinbreitet und die uns oft in den steilsten Gesteinsformationen noch mit zierlich prangenden Blüten erfreut – dort, wo jeder Pflanze  des Tieflandes der Standort zu eisig, der Hang zu steil und der Fels zu hart wäre. Mit auffallender Mannigfaltigkeit und mit seltenem Reichtum an Formen tritt die alpinen Flora in den bergen auf und erschließt ihre farbensatte Schönheit jedem, der sich ihr liebevoll naht, jedem, der in den niedlichen Kindern des Blumenreichs seien Aufmerksamkeit zuwendet. Wollen wir doch in Hinkunft nicht allein mit Bewunderung, sondern auch mit verständnisvoller Betrachtung uns mit den Eigenheiten der alpinen Flora beschäftigen, den tausendfältigen Beziehungen zu ihrer engeren und weiteren, zu ihrer toten und lebendigen Umgebung Aufmerksamkeit schenken – geleitet von dem Gedanken, daß die Alpennatur in ihrer ganzen Größe nur der richtig verstehen kann, der dieselbe auch im Kleinen, in ihrer Einzelheiten beachtet und betrachtet!

TURSKY, F. (1921): Die alpine Flora in ihrer Abhängigkeit vom Klima und Boden des Hochgebirges.

Einige Pflanzen zeigen Anpassung an bzw. meiden bestimmte Gesteinsarten. Im Überschuss vorhandenen Kalzium-Ionen im Bodenwasser können toxisch auf Pflanzen wirken – manche Pflanzenarten haben sich Mittels einer Kalzium-Toleranz daran angepasst. Bei vielen Pflanzengattungen sind nahe verwandte Arten entstanden, die sich auf bodenbasische und bodensaure Standorte aufteilen und eine grobe Vegetationsgliederung in basiphile and acidophile Pflanzengesellschaften ermöglichen. Wälder im Kalkschiefergebiete bestehen vorwiegend aus Lärchenwälder mit geringen Fichtenbeimengungen. Kalk-Kiefernwälder (Erico-Pinetum sylvestris) kommen an den Dolomithängen oberhalb Mauls und Stilfes vor. Reine Fichtenwälder treten auf Silikatgestein auf.

Der Silikat-Glocken-Enzian (Gentiana acaulis) meidet eher Kalk, im Gegensatz zu seinen nahen Verwandten den Kalk-Glocken-Enzian (Gentiana clusii).

Der Silikat-Glocken-Enzian (Gentiana acaulis), von der nahe verwandten Art Gentiana clusii, welche nur in Kalkmagerrasen vorkommt, unterscheidet er sich durch breitere Kelchbuchten, welche durch ein zartes Häutchen verbunden sind. Die Buchten zwischen den Kelchblättern sind bei G. clusii spitz. Die Krone von G. acaulis zeigt innen olivgrüne, fleckige Streifen.

Die Bewimperte Alpenrose (Rhododendron hirsutum) tritt auf Kalkuntergrund auf, währen die Rostblättrige Alpenrose (Rhododendron ferrugineum) typisch für Silikatgebiete ist.

Rostblättrige Alpenrose (Rhododendron ferrugineum) im Knuttental.
Bewimperte Alpenrose (Rhododendron hirsutum) im Mendelgebiet.
Aus REISIGL & KELLER 1999.
Aus REISIGL & KELLER 1999.

Literatur:

  • HARTL, H.; PEER, T. & FISCHER, M.A. (2014): Pflanzen – Nationalpark Hohe Tauern. Wissenschaftliche Schriften Nationalpark Hohe Tauern, Tyrolia Verlag: 216
  • REISIGL, H. & KELLER, R. (1999): Alpenpflanzen im Lebensraum: Alpine Rasen-, Schutt- und Felsvegetation. Vegetationsökologische Informationen für Studien, Exkursionen und Wanderungen. Spektrum Akademischer Verlag: 149
  • REISIGL, H. & KELLER, R. (1999): Lebensraum Bergwald: Alpenpflanzen in Bergwald, Baumgrenze und Zwergstrauchheide. Gustav Fischer Verlag: 145

Autor: David Bressan

Bressan-Geoconsult bietet geologische Dienste im Alpenraum an, mit Schwerpunkt auf geologische Kartierung, Betreuung von Bohrungen, Quartärgeologie, Hydrogeologie und Baugeologie. Kontakt: david@bressan-geoconsult.eu