„Denn der Bergmann muß in seiner Kunst die größte Erfahrung besitzen, so daß er erstlich weiß, welcher Berg oder Hügel, welche Stelle im Tal oder Feld nutzbringend beschürft werden könne, oder ob er auf die Schürfung verzichten muß.“
„Zwölf Bücher vom Berg- und Hüttenwesen„, I. Buch
„Die Pflanzenwelt ist das Kleid der Erde, das als lebende und belebende Hülle ihre tote Masse bedeckt, die Starrheit ihrer Formen mildert und jeden Teil der Bergwelt recht eigentlich erst einen Reiz verleiht. Sie ist es, die unsere Matten gleich einen üppigen musterreichen Teppich vor die schroffen Felswände hinbreitet und die uns oft in den steilsten Gesteinsformationen noch mit zierlich prangenden Blüten erfreut – dort, wo jeder Pflanze des Tieflandes der Standort zu eisig, der Hang zu steil und der Fels zu hart wäre. Mit auffallender Mannigfaltigkeit und mit seltenem Reichtum an Formen tritt die alpine Flora in den Bergen auf und erschließt ihre farbensatte Schönheit jedem, der sich ihr liebevoll naht, jedem, der in den niedlichen Kindern des Blumenreichs seine Aufmerksamkeit zuwendet. Wollen wir doch in Hinkunft nicht allein mit Bewunderung, sondern auch mit verständnisvoller Betrachtung uns mit den Eigenheiten der alpinen Flora beschäftigen, den tausendfältigen Beziehungen zu ihrer engeren und weiteren, zu ihrer toten und lebendigen Umgebung Aufmerksamkeit schenken – geleitet von dem Gedanken, daß die Alpennatur in ihrer ganzen Größe nur der richtig verstehen kann, der dieselbe auch im Kleinen, in ihrer Einzelheiten beachtet und betrachtet!“
„Klimatisch-geologische Abhängigkeit der alpinen Flora“, Franz Tursky
Bereits prähistorische Prospektoren müssen gewisse Hinweise an der Oberfläche, die auf verborgene Schätze in der Tiefe hinweisen können, aufgefallen sein. Verwitterungsresistente Gesteine die Erz enthalten, wie z.B. Dolomit, konnten als Härtlinge in der Landschaft auffällige Formen bilden. Die Stelle, an der eine Erzader an die Oberfläche kommt, nennt der Bergmann Ausbiss oder aufgrund der rostigen Färbung auch Eiserner Hut. Ausbisse in einem Bachbett, in einer Erosionsrinne oder durch einen Hangrutsch freigelegt, Lesesteinkartierung im Hangschutt unter Felswänden, chemische Ausfällungen in Bächen, der metallische Geschmack von Quellen sowie Wachstumsanomalien oder bestimmte Pflanzenarten im Gelände können auf Erzadern hinweisen.
Das Lesen dieser Hinweise schien Unkundigen oft geheimnisvoll. Dieses Wissen wurde im Mythos oft als Hexerei, oder zumindest Wissen das nur mit der Hilfe von zauberhaften Gegenständen zu erreichen war, verklärt.
Im Alpenraum spielen Sagen um die geheimnisvollen Venedigermandl eine große Rolle. Diese anscheinend italienischen Erzsucher besaßen große Kenntnisse, aber auch zauberhafte Utensilien wie den Bergspiegel, mit denen sie sozusagen in den Berg hineinschauen konnten. Der Ursprung dieses sagenhaften Werkzeugs ist nicht ganz geklärt. Vielleicht beruht es auf die Fähigkeiten der Prospektoren aufgrund Verfärbungen oder Strukturen an einer (glatten) Fels- oder Bergwand die Erzadern zu finden.
Georgius Agricola erklärt in seinem Textbuch „De re metallica“ wie die natürlichen Hinweise auf Erzadern im Gelände zu finden und zu beurteilen sind – darunter auch bestimmte Pflanzen.
„Schließlich muß man auf die Bäume achten, deren Blätter im Frühling bläulich oder bleifarben sind, deren Zweigspitzen vornehmlich schwärzlich oder sonst unnatürlich gefärbt sind … auch wächst auf einer Linie, in der sich ein Gang erstreckt, ein gewisses Kraut oder eine gewisse Pilzart … dies sind die Hilfsmittel der Natur, durch die Gänge gefunden werden“
Kümmerwuchs von Pflanzen, verursacht durch die Toxizität bestimmter Schwermetalle und Erze im Boden, wurde auch von anderen Gelehrten beschrieben. So listet Georg Grandtegger um 1731 bei der Beschreibung des Prettauer Kupfer-Bergwerks auf, dass:
„Wenn das Gras oder die Kräuter auf der Erde nicht die rechte Farbe haben oder vor der Zeit verdorren und wenn die Erde kein Gras trägt, so ist das ein Zeichen, daß darunter Erz zu finden ist.“
„Findet man Bäume in einem Wald, die ihr Laub vor der rechten Zeit färben oder Mißbildungen in den Wipfeln aufweißen, so ist das ein Zeichen, daß darunter Erz zu suchen ist.“
„Findet man alte Baumstöcke in der Erde, die ganz dürr und noch frisch sind, so ist das ein Zeichen von Erz.“
„Wenn eine Wassergisse ein Gebirge abbläst, soll man schauen, ob ein Baum samt der Wurzel umgefallen ist. Er deckt oft Erz ab.“
Der deutsche Arzt und Botaniker Johannes Thal (1542-1583) beschreibt in seinem „Sylva Hercynica“ die Frühlings-Sternmiere Minuartia verna als Pflanze die wiederholt an erzhöffigen Standpunkten vorkommt. Der Italiener Andrea Cesalapino beschreibt die, heutzutage treffend bezeichnete, Steinkraut-Art Alyssum bertolonii von Serpentinit-Vorkommen im Bereich des Tiber, eine der ersten publizierten geobotanischen Beobachtungen überhaupt. Allerdings wird oft noch kein Zusammenhang zwischen Gestein und Vegetation hergestellt. Der Humusgehalt der verschiedenen Böden wird als bestimmender Faktor des Pflanzenwuchs angenommen. In 1789 bemerkt der Naturwissenschaftler Heinrich Friedrich Link (1767-1851):
„…dass die Pflanzen, die auf trockenem Kalkboden vorkommen, von den anderen, die auf feuchtem tonigem Boden entstehen, verschieden sind.“
Der französische Naturforscher Jean-Ètienne Guettard, der auf der Suche nach medizinisch interessanten Kräutern war, bemerkte eine Verteilung der Pflanzen auf bestimmte Gesteinsarten. In 1780 publizierte er mit diesen Daten in seinem „Atlas et Description Minéralogiques de la France” eine Art geologische Karte. Aber erst der österreichische Arzt und Botaniker Franz Unger (1800-1870) stellt in seinem 1836 publizierten Werk „Über den Einfluß des Bodens auf die Verteilung der Gewächse“ einen direkten Zusammenhang zwischen Vegetation, Boden und Gestein fest. Er billigt den chemischen Eigenschaften des Bodens eine entscheidende Rolle zu und unterscheidet Kalkpflanzen und Tonschiefer- oder Kieselpflanzen. Bereits zwei Jahre später veröffentlicht G. F. Ruehle ein umfangreiches Verzeichnis von „kalksteter“ und „urgebirgssteter“ Arten im Alpenraum. Um 1882 wird schließlich der Begriff Erzpflanzen, um 1926 „Schwermetallpflanzen“ bzw. um 1963 „Metallophyten“ eingeführt, also Pflanzen die hohe Metallkonzentrationen im Untergrund tolerieren.
Schwermetalle, die aus den Abraumhalden des Bergbaus in den Boden gelangen, behindern das Wurzelwachstum, sodass die Pflanze abstirbt. Häufig ist in unmittelbarer Umgebung von Erzlagerstätten die Bodenchemie verändert, durch Sulfide oder Schwermetalle verseucht oder der Boden ist sehr nährstoffarm. Besonders toxische Elemente für Pflanzen sind Blei, Kupfer, Cadmium, Zink, Nickel, Chrom und Kobalt. Es kann daher in diesen Bereichen zu Kümmerwuchs, schütteres Gras oder das Fehlen von anspruchsvollen Baumarten wie Lärche, Tanne und Buche kommen. Manche Pflanzen – Metallophyten oder Zeigerpflanzen – tolerieren hohe Metallkonzentrationen. Solche bodenanzeigende Pflanzen reagieren offenbar mit der Bildung bestimmter Proteine in ihren Zellwänden auf Schwermetalle. Diese binden die Metalle und schirmen sie ab und schützen so die Zellfunktionen. So gilt das Vorkommen bestimmter Wildpflanzen als sicheres Zeichen für Erzlagerstätten dicht unter der Erde.
Zeigerpflanzen oder spezielle Pflanzenassoziationen können direkt auf Erzspuren im Boden hinweisen, selbst bei schlechten Aufschlussverhältnissen. Wichtige Erzpflanzen, die auch der Geologe kennen sollte, sind das Taubenkropf-Leimkraut (Silene vulgaris und – inflata), die Schaumkresse (Arabidopsis halleri), das Stiemütterchen (Viola sp.), die Grasnelke (Armeria sp.) und die Frühlingsmiere (Minuartia sp.). Am Schneeberg tritt das Alpenleinkraut (Linaria alpina), Alpenmiere (Minuartia gerardii), Einblütige Hornkraut (Cerastium uniflorum) und der Rote Steinbrech (Saxifraga oppositifolia) auf Bleiglanz, Zinkblende und Kupferkies-haltigen Erzboden auf.
Literatur:
- BRAUN-BLANQUET, J.(1928): Pflanzensozologie – Grundzüge der Vegetationskunde. J. Springer Verlag: 330
- EMMER, B. & HAFELLNER, J. (2005): Zur aktuellen Vegetation auf Abraum- und Schlackenhalden historischer Kupferbergbaue in der Montanstufe der Niederen Tauern und der Eisenerzer Alpen (Steiermark, Österreich). Mitt. naturwiss. Ver. Steiermark. Bd.134: 121-152
- GAMS, H. (1966): Erzpflanzen der Alpen. Jb. Ver. Schutz Alpenpfl. 31:65-73
- IMHOF, T. (2011): Kristallsuche. Valmedia: 139
- PUNZ, W. (2004): Von den Erzpflanzen zu den Metallophyten. Jb. Geol. B.-A., Bd. 144(1): 101-104
Ein Gedanke zu „Erzpflanzen in den Alpen“
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