Auf der Suche nach Erzadern in den Alpen

» Vermittelst seines bei sich habenden Perg Geists das Perg Männlein beschwören, Unnd aus Irrer Anntworth Clüfft und Geng, im Gebürge erfahrn … «

Beschreibung eines gewissen Hanns Aufinnger, der um 1607 behauptetet, mittels eines Wurzelmännchens mit den Berggeistern in Kontakt treten zu können und so Erzadern im Berg aufzuspüren.
Konkordante Erzlager in Paragneise im Bergbau Schneeberg. Anthophyllit, strahlig, braun- beige, überkrustet und verwachsen mit Zinkblende und Bleiglanz.

Im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit erlebte der Bergbau in den Alpen eine Blütezeit. Bevor ein Bergwerk aber gegründet werden kann, muss zunächst mal das erzhaltige Gestein gefunden werden. Die damaligen Prospektionsmethoden wurden erstmals durch Georgius Agricola in seinem „De re metallica libri XII“ (1556), eine systematische Darstellung des damaligen Berg- und Hüttenwesens, die er gemeinsam mit dem Bergmann Blasius Weffringer aus Joachimsthal veröffentlichte, besprochen und dargestellt. Diese alte Prospektionsmethode wurde von BREWEL & GSTREIN 1999 als Limonitdiagnostik zusammengefasst.

Der Prospektor sollte auf bestimmte Merkmale im Gelände achten, darunter auch Verfärbungen und Verwitterung von Gesteinen, wie z.B. Limonit (braun-gelblich gefärbtes Eisenoxid und -hydroxid das oft Erzgestein überkrustet, daher der Name Limonitdiagnostik). Zauberhafte Utensilien wie der Bergspiegel, mit denen Sagengestalten wie die Venedigermandln angeblich in den Berg hineinschauen konnten, beruhen vielleicht auf die Fähigkeiten der Prospektoren, aufgrund Verfärbungen oder Strukturen an einer (glatten) Fels- oder Bergwand die Erzadern zu finden.

Bestimmte Pflanzen oder Pflanzenassozationen, die tolerant gegenüber Schwermetallen im Boden sind, können auf Erzgestein im Untergrund hinweisen. Gleiches gilt für Krüppelwuchs, wenn zu hohe Schwermetallkonzentration zu Wachstumsstörungen oder das Absterben von Bäumen führen.

» Schließlich muß man auf die Bäume achten, deren Blätter im Frühling bläulich oder bleifarben sind, deren Zweigspitzen vornehmlich schwärzlich oder sonst unnatürlich gefärbt sind … auch wächst auf einer Linie, in der sich ein Gang erstreckt, ein gewisses Kraut oder eine gewisse Pilzart … dies sind die Hilfsmittel der Natur, durch die Gänge gefunden werden. «

Seit jeher schürfen die Menschen nach den Schätzen der Erde und versprechen sich Reichtum und Glück. Generationen von Knappen und Bergleuten gruben tiefe Stollen in die Berge auf der Suche nach Edelmetallen und Erzgestein. Noch heute prägen Abraumhalden die Hochebenen, die von Erzpflanzen besiedelt werden, wie hier in Ridnaun durch das Alpenleinkraut (Linaria alpina).
Erzflechte (Lecidea silacea) auf erzhöffigen Prasinit.

Verwitterungsresistente Gesteine die Erz enthalten, wie z.B. Dolomit, können als Härtlinge in der Landschaft auffällige Kuppen bilden. Die Stelle, an der eine Erzader an die Oberfläche kommt, nennt der Bergmann Ausbiss oder aufgrund der rostigen Färbung auch Eiserner Hut. Mittels Lesesteinkartierung in Bächen oder in Schutthalden verfolgt man umgelagertes Geröll das letztendlich zum oberflächlichen Ausbiss der Erzadern führt. Ebenso bewog den Bergmann eine bestimmte Ausbildung eines Gesteins oder eine natürliche Auflockerungszone zum Schürfen, die dadurch den Vortrieb in den Berg wesentlich erleichterte.

Vermutlich mittelalterlicher Probeschurf im Bergbaugebiet Röttal, Gemeindegebiet Prettau.

Auffällig braune, rötliche oder grünliche Ausfällungen in Bächen, oder der metallische Geschmack von Quellen zeigen gelöste Metalle im Grundwasser an. In moorigen Bereichen flockt Eisen bevorzugt aus dem Wasser aus, und bildet rötliche Ablagerungen von Rasenerze zwischen der Vegetation.

Manche Beobachtungen können nur zu bestimmten Jahreszeiten gemacht werden. Die Verwitterung und Oxidation von Erzen (z.B. Pyrit) im Untergrund kann zu einer geringen Wärmeentwicklung führen, die an der Oberfläche abstrahlt. An solchen Stellen findet man im Winter kein Eis und auch der Schnee bleibt im Frühjahr nicht so lange liegen.

Literatur:

  • KOFLER, H. (2012): Silber und Blei – Der Bergbau im raum Sterzing im 15. und 16. Jahrhundert. Berenkamp Verlag: 196
  • MAIR, V.; VAVTAR, F.; SCHÖLZHORN, H. & SCHÖLZHORN, D. (2007): Der Blei-Zink-Erzbergbau am Schneeberg, Südtirol. Mitt. Österr. Miner. Ges. Bd. 153: 145-180
  • PALME, R.; GSTREIN, P. & INGENHAEF, F. (2013): Schwazer Silber – Auf den Spuren der Schwazer Silberknappen. Berenkamp Verlag: 128
  • PUNZ, W. et al. (1994): Pflanzenökologische Befunde vom Bergbaugebiet Schneeberg/Monteneve in Passeier (Südtirol/I): 67-81

Lake Alleghe

The lake of Alleghe in the Cordévole Valley formed at 7:02 in the morning of January 11, 1771. That day a river flowing through the valley became dammed by a landslide coming from the mountain Piz.

The valley of Cordévole with the village and lake of Alleghe, on the left of the mountain Piz the scar of the landslide is barely visible in the forest, in the background the Civetta (3.220m).

The Alps-traveler and naturalist Belsazar Hacquet (1739-1815) remembers a visit to the lake in 1780:

The river Cordévole became my guide, by following him I would find the valley of Cadore. However, just after some hundred steps the river was flowing in a large lake, existing here only for the last nine years. I walked around in eastern direction, leaving the villages of Sternade and Saviner behind me, until I arrived at the base of the mountain of Piz. First the lake was narrow, only near Saviner it became more than 100 Venetian fathom [an old length unit used in the mining industry of these times, one fathom ca. 1,8 meter] wide and more than thirty deep.

The last mentioned village once was situated on a hill, and in the valley there were four smaller villages …[]… flooded by the lake, …[]… [the village] Marin, was buried with the village of Riete beneath the collapsing mountain of Piz, the last described village located previously on the top of the mountain.

Standing on the top of the mountain, I immediately noted that the mountain has a volcano on top of it, and it was possible to see how deep [its volcanic dikes] went. After the mountain collapsed, it could be seen that its base was composed of limestone, build up by mighty layers, dipping from west to east with a 45 degrees angle. The [slip] surface of the landslide is so smooth, that a man has difficulties to climb on it to the top of the mountain.

The strange notion by Hacquet of an active volcano in the Dolomites is based maybe on his discovery of volcanic rocks in the area, however – as we today know – these volcanic deposits are more than 235-million-years-old. At the time of Hacquet’s geologic investigation, volcanic forces were believed to cause strong and sudden movements of Earth, explaining sudden disasters like a landslide.

The landslide of Alleghe killed 48 people and destroyed parts of the village of Riete and some farms. Water levels in the landslide-lake continued to rise over the next weeks, inundating the village of Peron. Only in February 1771, a new outflow formed, stabilizing water levels and creating the modern lake.

Historic depiction of the landslide-lake in the „Atlas Tyrolensis“ of 1774 by Peter Anich and Blasius Hueber. Note the boulders on the southern shore of the lake. Anich and Hueber were the first cartographers to use signatures to display geomorphologic features -like landslides – in their maps.

Sagenhaftes Südtirol: Die Fossilien der Dolomiten und der Krampus

„Müßt‘ einer schon a narreter Teufel sein, dass er da umasteigat.“

Mitt. Des Deu. Oe. Ap., 1917

Die Nacht vom 5. zum 6. Dezember ist Krampusnacht, wenn der Krampus, halb Ziege und halb Mensch, die Häuser von unartigen Kindern besucht. Die dunklen, langen Winternächte waren in den Alpen schon immer eine unheimliche Zeit. Besonders gefürchtet war die Zeit zwischen den 25. Dezember zum 6. Jänner, die sogenannten Raunächte. In diesen Nächten waren die Perchten unterwegs, eine Schar von unheimlichen Tiergeistern.

Viele der Perchten haben die Hufe und die Hörner eines Steinbocks. Gamswild sieht man eher selten, obwohl – laut Sage – die Gams, mit ihren hakenförmigen Krucken und schwarzen Fell, eigens vom Teufel geschaffen worden sein soll um die jungen Jäger ins Gebirge und so in ihr Verderben zu locken. Sogar der große Naturforscher Saussure schreibt in seinem Buch Voyages dans les Alpes (1786-1796) noch, dass die Gemsjäger “in den Wildnissen mit dem Teufel Umgang [hätten], der sie dann endlich in den Abgründen stürze.”

In diesen Sagen steckt ein Körnchen Wahrheit.

Alpengams (Rupicapra rupicapra).

Die charakteristischen Steilwände einige der bekanntesten Gipfel in den Dolomiten werden von der Hauptdolomit-Formation gebildet, die 1876 in die Alpenstratigraphie eingeführt wurde. Es handelt sich um eine bis zu 1.000 Meter mächtige zyklische Abfolge von Dolomitgestein-Bänken die in der Trias, vor 216 bis 203 Millionen Jahre, im Flachwasserbereich einer ausgedehnten Karbonatplattform in der Tethys-See abgelagert wurden. Vergleichbare Ablagerungsbereiche können heutzutage z.B. im tropischen Meer rund um die Bahamas-Inseln gefunden werden.

Die Hauptdolomit-Formation am Heiligkreuzkofel (3.026 Meter) im Gadertal zeigt die typische Bankung dieser bis zu 1.000 Meter mächtigen Formation.

Seltsame halbrunde Formen mit einer Spalte dazwischen, die in dieser Gesteinsformation gefunden werden können, wurden von Bauern und Hirten des Pustertales und des Gadertales manchmal als Hufabdrücke des Tuifl erklärt. Der Krampus oder Teufel heißt im Pustertal “Tuifl” und hat die Gestalt eines Geißbocks, einschließlich Bocksfüßen und gespaltenen Hufen.

Querschnitt einer Megalodon-Muschel.

Tatsächlich handelt es sich um die Querschnitte von Muscheln. Vergraben im Kalkschlamm der Trias-Karbonatplattform lebten große Muscheln der Gattung Megalodon.

Nach ihrem Absterben füllten sich die nun leeren Schalen mit feinem Kalk und blieben als Fossilien erhalten. Durch Erosion werden die herz- bis hufförmigen Querschnitte der beiden Muschelschalen heutzutage wieder freigelegt.

Megalodon Fossilien in Steinkern-Erhaltung.

Wetterchaos und Hangrutschungen in Südtirol

Nach ergiebigen Regen und Schneefall seit Mittwoch 13. November 2019 ist es am Wochenende landesweit zu Vermurungen und Rutschungen gekommen.

Am Samstag ist ein Felssturz auf die Staatsstraße zwischen Latsch und Kastelbell im Vinschgau niedergegangen. Ein Felsbrocken war bis auf die Straße gestürzt, ein Fahrzeug prallte gegen den Gesteinsbrocken und verletzte einen 69 Jahre alter Südtiroler leicht. Auch zwischen Tschars und Kastelbell ist es zu einem kleineren Steinschlag gekommen. Die Vinschger Staatsstraße bleibt zurzeit gesperrt.

Felssturz bei Kastelbell. Foto FF Latsch.

Wegen einer drohenden Vermurung des Tilserbaches in Brixen wurden am Sonntagabend vorsorglich die Bewohner im Bereich des Gewässers für einige Stunden evakuiert.

Das obere Pustertal war wegen einer Rutschung am Sonntagabend entlang der Staatsstraße am Kniepass bis Montagfrüh nicht erreichbar. Am Montag ist gegen 8 Uhr Morgens bei der Einfahrt Mühlbach Ost eine Mure auf die Gleise der Pustertaler Bahnlinie abgegangen. Ein Zug, der in Richtung Franzensfeste unterwegs war, wurde ausgebremst und vier Wagone sind aus den Gleisen gesprungen. Eine kleinere Mure auf die Gleise ist vor St.Lorenzen abgegangen. Die Bahnlinie ins Pustertal ist nach diesen Ereignissen für mindestens einen Tag gesperrt.

Pusterer Bahn am Montagfrüh. Foto UT24.

In Barbian ist es Montagfrüh gegen 6 Uhr zu einem Erdrutsch oberhalb des Fall-in-Aich-Hofes oberhalb vom Ortskern von Barbian gekommen. Der zum Hof gehörige Hühnerstall war durch den Erdrutsch um etwa 5-6 Meter verschoben worden, berichtet der Kommandant der FFW Barbian. Die dahinterliegende Mauer konnte die Erdmassen nicht aufhalten. Auch die Garage war durch den Erdrutsch stark beschädigt worden.

Foto FFW Barbian.

Eine Mure hatte sich oberhalb von Albeins gelöst und drang am Montag bis ins Zentrum der Brixner Fraktion vor.

Foto FFW Albeins.

Die derzeitige Lage erinnert an den Winter 2008. Nach ergiebigen Schneefällen Anfang Dezember, kam es damals zu Steinschlag und Rutschungen im Eisacktal und Mendelgebiet. Warmes Wetter im November 2008 verhinderte, dass der Boden durchfror. Schnee und Regen konnten in den Boden einsickern und die aufgeweichten Lockersedimente führten zu Muranbrüchen und Hangrutschungen. Die derzeitigen Temperaturen um die 0°C führen auch zu Regen und nassen Schnee, der den Boden zusätzlich belastet, Bäume umknickt und das Einsickern von Wasser fördert.

Klimadaten vom 14. Oktober bis 17. November 2019, Wetterstation Bruneck.
Gemeldete Rutschungen, Muren und Steinschlag in Südtirol, Stand November 18, 2019.

Pflanzen der Alpen: Kalk- und Silikatanzeiger

„Das Gestein erzeugt die Formen der Pflanzen. In der Region des Felsigen können im Allgemeinen in dem daselbst herrschenden ungleichförmig gemengten Boden nur solche Pflanzen auftreten, die gewisse Gesteinsgruppen zu ihrer Unterlage vorziehen.
In der Region des Zertrümmerten können im Allgemeinen in dem daselbst herrschenden gleichförmig (aus Kalkerde, Kieselerde und Thonerde) gemengten Boden nur solche Pflanzen auftreten, die alle Gesteinsgruppen ohne Unterschied zu ihrer Unterlage wählen können.“

STUR, D. (1856): Über den Einfluss des Bodens auf die Vertheilung der Pflanzen. Als Beitrag zur Kenntniss der Flora von Österreich, der Geographie und Geschichte der Pflanzenwelt.

Die Pflanzenwelt ist das Kleid der Erde, das als lebende und belebende Hülle ihre tote Masse bedeckt, die Starrheit ihrer Formen mildert und jeden Teil der Bergwelt recht eigentlich erst einen Reiz verleiht. Sie ist es, die unsere Matten gleich einen üppigen musterreichen Teppich vor die schroffen Felswände hinbreitet und die uns oft in den steilsten Gesteinsformationen noch mit zierlich prangenden Blüten erfreut – dort, wo jeder Pflanze  des Tieflandes der Standort zu eisig, der Hang zu steil und der Fels zu hart wäre. Mit auffallender Mannigfaltigkeit und mit seltenem Reichtum an Formen tritt die alpinen Flora in den bergen auf und erschließt ihre farbensatte Schönheit jedem, der sich ihr liebevoll naht, jedem, der in den niedlichen Kindern des Blumenreichs seien Aufmerksamkeit zuwendet. Wollen wir doch in Hinkunft nicht allein mit Bewunderung, sondern auch mit verständnisvoller Betrachtung uns mit den Eigenheiten der alpinen Flora beschäftigen, den tausendfältigen Beziehungen zu ihrer engeren und weiteren, zu ihrer toten und lebendigen Umgebung Aufmerksamkeit schenken – geleitet von dem Gedanken, daß die Alpennatur in ihrer ganzen Größe nur der richtig verstehen kann, der dieselbe auch im Kleinen, in ihrer Einzelheiten beachtet und betrachtet!

TURSKY, F. (1921): Die alpine Flora in ihrer Abhängigkeit vom Klima und Boden des Hochgebirges.

Einige Pflanzen zeigen Anpassung an bzw. meiden bestimmte Gesteinsarten. Im Überschuss vorhandenen Kalzium-Ionen im Bodenwasser können toxisch auf Pflanzen wirken – manche Pflanzenarten haben sich Mittels einer Kalzium-Toleranz daran angepasst. Bei vielen Pflanzengattungen sind nahe verwandte Arten entstanden, die sich auf bodenbasische und bodensaure Standorte aufteilen und eine grobe Vegetationsgliederung in basiphile and acidophile Pflanzengesellschaften ermöglichen. Wälder im Kalkschiefergebiete bestehen vorwiegend aus Lärchenwälder mit geringen Fichtenbeimengungen. Kalk-Kiefernwälder (Erico-Pinetum sylvestris) kommen an den Dolomithängen oberhalb Mauls und Stilfes vor. Reine Fichtenwälder treten auf Silikatgestein auf.

Der Silikat-Glocken-Enzian (Gentiana acaulis) meidet eher Kalk, im Gegensatz zu seinen nahen Verwandten den Kalk-Glocken-Enzian (Gentiana clusii).

Der Silikat-Glocken-Enzian (Gentiana acaulis), von der nahe verwandten Art Gentiana clusii, welche nur in Kalkmagerrasen vorkommt, unterscheidet er sich durch breitere Kelchbuchten, welche durch ein zartes Häutchen verbunden sind. Die Buchten zwischen den Kelchblättern sind bei G. clusii spitz. Die Krone von G. acaulis zeigt innen olivgrüne, fleckige Streifen.

Die Bewimperte Alpenrose (Rhododendron hirsutum) tritt auf Kalkuntergrund auf, währen die Rostblättrige Alpenrose (Rhododendron ferrugineum) typisch für Silikatgebiete ist.

Rostblättrige Alpenrose (Rhododendron ferrugineum) im Knuttental.
Bewimperte Alpenrose (Rhododendron hirsutum) im Mendelgebiet.
Aus REISIGL & KELLER 1999.
Aus REISIGL & KELLER 1999.

Literatur:

  • HARTL, H.; PEER, T. & FISCHER, M.A. (2014): Pflanzen – Nationalpark Hohe Tauern. Wissenschaftliche Schriften Nationalpark Hohe Tauern, Tyrolia Verlag: 216
  • REISIGL, H. & KELLER, R. (1999): Alpenpflanzen im Lebensraum: Alpine Rasen-, Schutt- und Felsvegetation. Vegetationsökologische Informationen für Studien, Exkursionen und Wanderungen. Spektrum Akademischer Verlag: 149
  • REISIGL, H. & KELLER, R. (1999): Lebensraum Bergwald: Alpenpflanzen in Bergwald, Baumgrenze und Zwergstrauchheide. Gustav Fischer Verlag: 145

Geologie der Dolomiten: Etschtaler Vulkanit-Gruppe

“Im Inneren des Erdballs hausen geheimnisvolle Kräfte, deren Wirkungen an der Oberfläche zutage treten: Als Ausbrüche von Dämpfen, glühenden Schlacken und neuen vulkanischen Gesteinen, als Auftreibungen zu Inseln und zu Bergen.”

Alexander von Humboldt

Die Landschaft um Bozen mit ihren ausgedehnten Hochflächen (Ritten) und Schluchten (Eggental) ist von rotbraunen Quarzporphyr geprägt. Quarzporphyr ist die veraltete Bezeichnung für das Vulkangestein Rhyolith, eine Ablagerung vulkanischer Glutlawinen, in dem Einsprenglinge von Quarz und Feldspat in eine feinen Grundmatrix auftreten. Heutzutage spricht man eher generell von Etschtaler Vulkanit-Gruppe (EVG), da es sich um eine komplexe am Festland geförderte Vulkanitabfolge aus intermediären bis felsischen Laven, Ignimbriten, pyroklastischen Brekzien, Tuffiten und vulkanoklastischen Sedimenten, die auf den Basiskonglomeraten (Waidbrucker Konglomerat) und südalpinen metamorphen Grundgebirge liegen, handelt. Das EVG in Südtirol ist das größte derartige Vorkommen in Mitteleuropa.

Die Umgebung von Bozen mit den roten, spärlich bewachsenen Felsklippen der EVG.
Die vereinfachte geologische Karte zeigt die Verteilung des kristallinen Grundgebirges, die intrudierten Plutone und die Etschtaler Vulkanit-Gruppe.

Ursprünglich wurde der „Bozner Quarzporphyr“ nach farblichen und örtlichen Varietäten unterschieden und bis in die 60er Jahre in drei große Gesteinsgruppen (basisch-intermediär bis sauren Vulkaniten) eingeteilt. Heutzutage erfolgt eine Einteilung nach vulkanischer Fazies, also zumeist Chemismus und Ablagerungsart. Petrologisch gesehen, handelt es sich um eine Abfolge von grüngraue, mafische bis intermediäre Laven und Ignimbriten (Basalt, Dazit, Andesit) und rote Laven und Ignimbriten (Rhyodazite, Rhyolithe). Am Ritten, Terlan und Nals treten Subvulkanite auf, Magmenkörper, die in seichten Krustentiefen steckengeblieben sind und besonders große Feldspateinsprenglinge aufweisen.

Aufschluss des Terlaner Subvulkanits mit bis zu 6 Zentimetern großen Feldspateinsprenglingen.
Ignimbrit der Auer-Formation, ehemalige Ablagerungen einer pyroklastischen Glutlawine, mit rötlicher Matrix aus Sanidin-Feldspat und größere Einsprenglinge aus Feldspat und Quarz. An der Spitze des Stiftes erkennbar eine der Glasscherbenschmitzen („Fiammen“), ein noch zähflüssiges Bruchstück von Lavagestein wurde durch überlagerndes Gestein zusammengedrückt.
Säulen in Ignimbrit der Auer-Formation bei Schloss Sigmundskron.
Pyroklastische Brekzie.
Aufschluss mit Fließgefüge in einem ehemaligen Lavastrom.

Die gesamte Abfolge wird als Füllung eines Caldera-artigen Einbruchbeckens gedeutet. Vor 275 bis 255 Millionen Jahre kam es zu heftigen vulkanischen Eruptionen entlang von Längsspalten, die vulkanisches Material ins Innere der Caldera ablagerten. Im Zusammenhang mit der Förderung der EVG wird auch das zeitgleich (280 bis 270 Millionen Jahre) Eindringen des Brixner Granit, Iffinger, Kreuzberg, Cima d’Asta Intrusionen und Klausenite Gänge gesehen.

Literatur:

  • AVANZINI et al. (2007): Erläuterungen zur Geologischen Karte von Italien Im Maßstab 1:50.000 Blatt 026 Eppan. APAT/Autonome Provinz Bozen Amt für Geologie und Baustoffprüfung
  • HANN, H.P. (2016): Grundlagen der Gesteinsbestimmung. Quelle & Meyer Verlag: 352
  • STINGL, V. & WACHTLER, M. (1999): Dolomiten – Das Werden einer Landschaft. Athesia Verlag: 149

Geology and the 1963 Landslide of the Vajont Dam

The valley of Vajont (or Vaiont) in the Italian Dolomites is characterized in the upper part by a broad catchment area, carved by ancient glaciers, and in the lower part by a deep and narrow gorge, eroded into limestone formations by the river Vajont. This peculiar shape made the valley a perfect site for a dam and a hydroelectric power station nearby.

View of Mount Toc with the landslide of Vajont. The small lake on the left is what remains of the reservoir.

History:

Construction of the Vajont dam started in 1956 and was completed in 1960. At the time it was the highest double-curvature arch dam in the world, rising 261,6 meters above the valley floor and with a capacity of 150 to 168 million cubic-meters. The filling of the reservoir began in February 1960. Eight months later the reservoir was already 170 meters deep. Soon afterward, first fissures were noted on the slopes of Mount Toc, overlooking the Vajont reservoir. On November 4th, with the reservoir 180 meters deep, a first landslide with 700.000 cubic-meters fell into the lake. Alarmed, technicians decided to reduce the filling rate of the reservoir. This strategy was successful until mid 1963, when, between April and May, the depth of the reservoir was rapidly increased from 195 to 230 meters. By July, the depth was 240 meters, another slight increase in the speed of the sliding slope was noted. In early September, when the lake was 245 meters deep, ground movements accelerated to 3,5 centimeters per day. In late September, the water level was lowered in an attempt to slow down slope movements. Even doing so, the ground continued to move at a rate of 20 centimeters per day, enough to open large fissures along the entire flank of Mount Toc. On October 9th, the reservoir’s depth had been lowered almost to 235 meters when the slope began to slide uncontrollable.

Summary of events observed during the filling of the Vajont reservoir. Geological investigations, precipitation, water levels in the reservoir and groundwater levels and rate of movements. The last rise of the reservoir level was accompanied by strong earthquakes coming from the slopes of Mount Toc. Note also how the groundwater level became synchronous with the reservoir level in 1961, suggesting that the previously isolated aquifers in the mountain became connected to the lake.

October 9, 1963, at 10:39 p.m. local time, the entire flank of Mount Toc collapsed. Within 30 to 40 seconds estimated 240-270 million cubic-meters of soil and bedrock slipped into the reservoir, containing 115 million cubic-meters of water at the time. The reservoir was partially filled up by and buried by a 400 meters thick packet of rocks. The landslide pushed part of the water out of the lake, generating a wave with a maximal height of 230-240 meters. In the villages surrounding the reservoir – Erto, Casso, San Martino, Pineda, Spesse, Patata, Cristo, and Frasein – the wave claimed 160 victims. A 100-150 meters high wave rushed into the gorge of the Vajont, in direction of the densely populated Piave valley. There the wave destroyed the town of Longarone and the villages of Pirago, Villanova, Rivalta, and Fae. In less than 15 minutes more than 1.900 people were killed.

Aerial photo of the Vajont site before and after the landslide (SEMENZA 1964).

Geological Surveys:

For more than three years, the movements were monitored and various geologists studied the creeping slope. Shear zones with crushed rocks were discovered during the construction of a tunnel deep inside the mountain. Some geologists warned of a deep-seated landslide, like Austrian engineer Leopold Müller in 1960 and later Italian geologists Eduardo Semenza and Franco Giudici. In July 1964, Semenza, son of the engineer who planned the dam, recognized that the valley of Vayont is partially filled by old mass-movements deposits and gravels of a landslide-dammed lake, suggesting that catastrophic landslides already happened here.

But other geologists proposed superficial sliding planes, able to cause only small landslides. Small landslides, as happened in 1960, were always expected during the filling of the reservoir. In 1961, the construction of a by-pass tunnel was started, just in case the reservoir would become partially obstructed by a landslide. In the same year, calculations, based on a model of the entire reservoir, suggested that a (small) landslide into the lake could generate a 30 meter high wave. Technicians recommended to not exceed a water level of 700 meters a.s.l. – 25 meters beneath the dam crest – surpassed, however, in 1963 by 10 meters.

Eduardo Semenza in July 1964, the geologist, son of the engineer who planned the dam, was one of the first to recognize that prehistoric landslide deposits and gravel of landslide-dammed lakes filled the Vajont valley. In the background shattered bedrock of the 1963 event.

Geology:

The valley of Vajont is characterized by a succession of Jurassic/Cretaceous to Eocene marl and limestone-formations, forming a large fold, with the valley following the axis of the fold. Sedimentary layers found along the slopes of the mountains, especially on Mount Toc, plunge towards the valley, forming possible sliding planes for a mass movement.

Calcare del Vajont – limestone from the Vajont site. In similar geological formations thin layers of clay can be found. If wet, such layers form perfect sliding planes.

After the disaster, geologists discovered thin layers of green claystone (5-10 centimeters thick) in the limestone of the Vajont site. The clay layers acted as sliding planes for a prehistoric landslide and were reactivated by the rising water level in the reservoir.

Two N-S geological sections from Monte Toc to Monte Salta before 9 October 1963 and after. 1a Quaternary; b stratified alluvial gravels; 2 Scaglia Rossa (Upper Cretaceous–
Lower Paleocene); 3 Cretaceous-Jurassic Formations (Socchér Formation sensu lato and coeval): b Socchér Formation sensu stricto; c Ammonitico Rosso and Fonzaso Formation; 4 Calcare del Vaiont (Dogger); 5 Igne Formation (Upper Liassic); 6
Soverzene Formation (Lower and Middle Liassic); 7 Dolomia Principale (Upper Triassic); 8 faults and overthrusts; 9 failure surfaces of landslides; 10 direction of water flow into aquifers (from SEMENZA et al. 2000).

Conclusion:

The continuous rejection of the worst-case scenario by authorities and the electric power company, running the dam, was, in part, based on a lack of understanding of large mass movements at the time. Only a few geologists and engineers imagined that an entire flank of a mountain could collapse.

But likely the most important factor contributing to the catastrophe was of financial nature. The Vajont reservoir was an important economic investment, providing energy to nearby large cities and industries, and many politicians supported its construction. Nobody wanted to abandon the entire project until it was too late.

References:

  • SEMENZA E. (1965): Sintesi degli studi geologici sulla frana del Vajont dal 1959 al 1964. Museo tridentino di scienze naturali, Trento Vol. 16(1): 51
  • SEMENZA, E. (2005): La storia del Vajont raccontata dal geologo che ha scoperto la frana. K-Flash editore: 280
  • SEMENZA, E. & GHIROTTI, M. (2000): History of the 1963 Vaiont slide: the importance of geological factors. Bull Eng Geol Env 59: 87–97

Sagenhaftes Südtirol: Der Wald bewegt sich

Pflanzen können als „Stumme Zeugen“ Rückschlüsse auf Geländebewegungen zulassen.

Stumme Zeugen sind Spuren im Gelände, die auf ablaufende und rezente Massenverlagerungsprozesse qualitativ rückschließen lassen und bestenfalls quantitative Interpretationen zulassen.

Hübl et al. 2003

Von Rein hinaus ins Tauferer Tal führt der Weg zwei Stunden lang durch einen wildromantischen Wald. Überall liegen Steine und Felsblöcke umher, lins und rechts steigen die Berghänge fast senkrecht auf, hart neben dem Weg tost der Reiner Bach mit seinen schrecklichen Tobeln. In diesem Wald ist es auch unheimlich.

Man erzählt sich, dass wenn man sich Nachts von Taufers nach Rein auf den Weg macht, auf einmal der Reiner Wald in Bewegung kommt. Nicht nur Bäume, sondern ganze Steinkolosse heben sich und drohen auf den Wanderer harabzurutschen, und zwar mit einem so entsetzlichen Gepolter, dass es schien, als brüllten lauter wilde Tiere durch den Wald.

Diese Sage aus dem Ahrntal bezieht sich auf ein Gebiet mit Ablagerungen eines alten Bergsturzes. Vielleicht spiegelt die Erzählung Beobachtungen wieder, die tatsächlich vor einen Bergsturz gemacht werden können. Der Schweizer Geologe Albert Heim schreibt 1932 in seinem Buch „Bergsturz und Menschenleben“:

„Im Waldboden findet man Baumwurzeln über klaffende Spalten gespannt wie Seiten einer Violine, und kann an dieser Spannung den Fortgang der Bewegung in neuester Zeit erkennen. In einem in vollem Gange befindlichen Abrissgebiete kann im Wald ein heftiges Geknatter durch das Zerreissen der Wurzeln entstehen. … Natürlich werden im Gebiete von Schuttrutschungen die Bäume schief verstellt, wachsen nachher bei Stillstand wieder senkrecht nach oben, werden wieder verstellt usw. So können Bäume, besonders Tannen, im Laufe der Jahre zu einer vollen Chronik der Bewegung werden. Dies gilt für das Abrissgebiet, wie für die Fahrbahn und das Ablagerungsgebiet.“

How to Identify Feldspar in the Field

Feldspars are by far the most common minerals, constituting nearly 60% of all terrestrial rocks. They are important in both magmatic (formed by crystallization from molten magma) and metamorphic rocks (formed by alteration of older rocks by heat and pressure over time). It’s only in sedimentary rocks that feldspars are relatively rare, as the crystals easily break (having a perfect cleavage) and tend to decay and erode in contact with water.

Feldspar is a name that comprises a series of aluminosilicate minerals with three end members: orthoclase (potassium feldspar K[AlSi3O8]), albite (sodium feldspar Na[AlSi3O8]) and anorthite (calcium feldspar CaAl2Si2O8). Albite and anorthite form a completely miscible series called plagioclase. Albite and orthoclase can form a complete miscible series at higher temperatures.

As there is miscibility between the various members of the feldspar group, exact feldspar identification in the field, without chemical analysis, can be difficult (to impossible).

Orthoclase is a common constituent of most granites and other felsic igneous rocks and often forms huge crystals and masses in pegmatite. Euhedral crystals are commonly elongate with a tabular appearance, colorless to white in appearance; however, traces of iron-oxides can cause greenish, greyish-yellow or reddish-pink coloration. Orthoclase often displays Carlsbad twinning and light is reflected differently by the crystal faces of the two intergrown crystals. Luster is vitreous to pearly.

1-6 cm large orthoclase (K-feldspar) in the Terlaner ryhodacitic porphyry (a subvolcanic rock). The crystal displays characteristic Carlsbad twinning and secondary reddish coloration by iron-oxides.

Plagioclase is the most important feldspar in basaltic magmatic rocks. On fresh surfaces colorless to whitish, on eroded surfaces often colored greenish-yellowish by traces of decomposing sericite, chlorite and epidote (however, reddish coloration by iron-oxides also possible). Virtually identical to orthoclase when fresh, shows less well developed twinning (polysynthetic twinning with lamellar crystals intergrowth, visibile only on microscopic scale) and generally forms smaller crystals. In granitoid rocks, plagioclase is composed mostly of albite (70 to 50%), in basaltic rocks (like diorite, gabbros and basalt), with an abundance of calcium, anorthite prevails with 60 to 90%.

Auer Formation, former pyroclastic flows deposits, with a matrix of sanidine (potassium feldspar) crystals, reddish-pink plagioclase crystals and quartz.

Feldspar has a relatively high mineral hardness of 6 after Mohs and can barely be scratched with the blade of a pocket knife or geological hammer. In metamorphic rocks, like orthogneiss (metamorphic granitoid rocks), it can form characteristic porphyroclasts, harder mineral grains surrounded by a groundmass of finer grained crystals, referred to colloquially as „Augen“ (=eyes).

Reiner Orthogneis, Altkristallin, Rein in Taufers.

Weathered alkali-feldspar (orthoclase-albite series) will decay to white, crumbly argillaceous minerals, like kaolinite. Plagioclase decays to argillaceous minerals or fine-grained aggregates of colourless to grey sericite (mica variety).

Literature:

  • AVANZINI et al. (2007): Erläuterungen zur Geologischen Karte von Italien Im Maßstab 1:50.000 Blatt 026 Eppan. APAT/Autonome Provinz Bozen Amt für Geologie und Baustoffprüfung
  • MARETSCH, W.; SCHERTL, H.-P. & MEDENBACH, O. (2016): Gesteine – Systematik, Bestimmung, Entstehung. Schweizerbart Verlag: 368
  • MEYER, J. (2017): Gesteine der Schweiz – Der Feldführer. Haupt Verlag: 444
  • MEYER, J. (2017): Gesteine einfach bestimmen – Der Bestimmungsschlüssel. Haupt Verlag: 140

Wie kommt der Dolomit in die Dolomiten?

„Aber auch noch für anderes, Größeres sind die Dolomiten ein Wahrzeichen, so schön, wie man es nicht leicht wieder findet: für geologische Vergangenheit. In besonderer Klarheit liegt hier der geologische Bau zutage. Auch dem Fernerstehenden vermag das Bild eine Welt in Erinnerung zu bringen, von der man im gewöhnlichen Leben keine Ahnung hat, die Gedanken zurückzuführen in Zeiten und Verhältnisse, die jenseits aller Vorstellung des Alltags liegen.“

Bau und Bild der Südtiroler Dolomiten, von R.v. Klebelsberg, Zeitschrift des Deutschen und Österreichischen Alpenvereins Bd. 57 (1926)

Die Landschaft der Dolomiten wird durch eine Mineral- bzw. Gesteinsart geprägt, die die „Bleichen Berge“ auch ihren Namen verdanken: Dolomit. Die charakteristischen Steilwände einige der bekanntesten Gipfel in den Dolomiten werden von der Hauptdolomit-Formation gebildet – 1876 in die Alpenstratigrafie eingeführt. Es handelt sich dabei um eine bis zu 1.000 Meter mächtige zyklische Abfolge von Dolomitgesteinbänke, die im Flachwasserbereich einer ausgedehnten Karbonatplattform des ehemaligen Tethys-Meer abgelagert wurden.

Hauptdolomit am Heiligkreuzkofel.

Es mag überraschen, dass die Genese dieses Gesteins noch heute nicht völlig geklärt ist. Der italienische Bergbauingenieur Giovanni Arduino, einer der ersten Gelehrten der Dolomit chemisch untersuchte, vermutete in 1779, dass Dolomit durch die Umwandlung von normalem Kalkgestein durch Magma entstanden ist. Eine Hypothese, die bis zum 19. Jahrhundert sehr beliebt war. Tatsächlich finden sich in den Dolomiten zahlreiche vulkanische Ablagerungen und Intrusionen – allerdings nicht immer in Kontakt mit Dolomitgestein.

Geologischer Schnitt durch die Tiroler Alpen. Die Sedimentschichten werden hier durch magmatische Basalt- und Porphyrintrusionen verkippt und verstellt. Zeichnung der amerikanischen Illustratorin Orra White Hitchcock (1796-1863) nach dem deutschen Geologen Leopold von Buch (1774-1853).

Eine ähnliche Arbeitshypothese vermutet eine chemische Reaktion zwischen Kalkformationen und Magnesium-gesättigte Lösungen, was zur Bildung von sekundären Dolomitgestein führt.

Viele Dolomitformationen in den Dolomiten (wie der Hauptdolomit) weisen fossile Verkarstungserscheinungen auf. Anscheinend tauchten sie nach ihrer Ablagerung als Kalkgestein eine Zeitlang über den Meeresspiegel auf. Es kam zu einer Mischung zwischen Süß- und Magnesiumhaltigen Grundwasser. Das chemische Ungleichgewicht führte dann zum Dolomitisierungsprozess. Diese Hypothese könnte auch erklären, warum einige Gipfel, wie die Marmolada und Latemar, noch aus den ursprünglich abgelagerten Kalkgestein bestehen. Anscheinend kam es hier nie zum Dolomitisierungsprozess, vielleicht weil wasserundurchlässige Gesteine das Eindringen von Niederschlag- und Grundwasser verhinderten.

Satteldolomit – Dolomit-Kristalle die durch Magnesium-gesättigte Lösungen gebildet werden.

Der amerikanische Geologe James Dwight Dana (1813-1895) bemerkte während einer Forschungsreise in den Südpazifik, dass Dolomit in trocken gefallenen Korallenstöcke gefunden werden kann. Eine wichtige Beobachtung, die zeigte, dass Dolomit unter normalen Temperaturen und direkt aus Meerwasser ausgefällt werden kann. Der russische Mikrobiologe Georgi A. Nadson veröffentlichte 1903 eine Studie über die Ausfällung von primären Dolomit aus Meerwasser durch Bakterien.

Grundsätzlich gibt es drei Arten der Karbonatfällung aus Meerwasser – abiotisch, biologisch kontrolliert und biologisch induziert. Abiotische Fällung erfolgt nach rein chemischen Prozessen. Organismen, die aus dem Meerwasser aktiv Karbonat fällen, waren und sind v.a. Kalkalgen, Schwämme, Korallen und Mollusken. Biologisch induziert Karbonatfällung nimmt eine Art Zwischenstellung ein. Hier verursachen Mikroorganismen Veränderungen in der Wasserchemie, was dann zur Ausfällung von Karbonat aus dem Meerwasser führt. Ablagerungen in Poren ist ein Beispiel für abiotische Karbonatproduktion, die Skelette von Korallen und Algen ein Beispiel für biologische Karbonatproduktion. Mikrobenmatten, wie sie oft in Gezeitenzonen gefunden werden, führen mittels biologisch induzierter Karbonatausfällung zur Ablagerung von Karbonatkrusten.

Kalkooide die durch abiotische Ausfällung von Karbonat um einen Kristallisationskeim entstehen.

Die Hauptdolomit-Formation wird nicht nur aus Meter-mächtigen Bänken aufgebaut, sondern zeigt auch eine unregelmäßige, fein laminierte Schichtung. Vergleiche mit modernen, ähnlichen Ablagerungsbereichen – z. B. die Karbonatplattform der Bahamas – lassen darauf schließen, dass es sich um fossile Bakterienmatten handelt.

Lamination der Hauptdolomit-Formation.

Bakterien und Algen spielten vermutlich eine wichtige Rolle in der Bildung des Hauptdolomits. In modernen Ablagerungsräumen ist Dolomit trotz mikrobieller Aktivität auf einige wenige, salzige Lagunen beschränkt. Während der Ablagerung des Hauptdolomits in der Tethys vor über 200 Millionen Jahre, herrschten anscheinend besondere Bedingungen, die zunächst die Ausfällung von Kristallen aus Magnesiumhaltigen Aragonit (Ca[CO3]+Mg) aus dem Meerwasser begünstigten. Durch die Aktivität von Mikroorganismen reicherte sich Magnesium im Karbonatschlamm an und der Mg-Aragonit wandelte sich schließlich in reines Calcium-Magnesium-Carbonat – CaMg[CO3]2 oder Dolomit – um.

Ein Großteil des Dolomits in den Dolomiten wird heutzutage als eine Mischung von sekundär gebildeten Dolomitgestein und primären Dolomit erklärt, wobei der primäre Dolomit durch biologisch induzierte und abiotischer Ausfällung entstanden ist.

Literatur: