Sagenhaftes Südtirol: Der Wald bewegt sich

Pflanzen können als „Stumme Zeugen“ Rückschlüsse auf Geländebewegungen zulassen.

Stumme Zeugen sind Spuren im Gelände, die auf ablaufende und rezente Massenverlagerungsprozesse qualitativ rückschließen lassen und bestenfalls quantitative Interpretationen zulassen.

Hübl et al. 2003

Von Rein hinaus ins Tauferer Tal führt der Weg zwei Stunden lang durch einen wildromantischen Wald. Überall liegen Steine und Felsblöcke umher, lins und rechts steigen die Berghänge fast senkrecht auf, hart neben dem Weg tost der Reiner Bach mit seinen schrecklichen Tobeln. In diesem Wald ist es auch unheimlich.

Man erzählt sich, dass wenn man sich Nachts von Taufers nach Rein auf den Weg macht, auf einmal der Reiner Wald in Bewegung kommt. Nicht nur Bäume, sondern ganze Steinkolosse heben sich und drohen auf den Wanderer harabzurutschen, und zwar mit einem so entsetzlichen Gepolter, dass es schien, als brüllten lauter wilde Tiere durch den Wald.

Diese Sage aus dem Ahrntal bezieht sich auf ein Gebiet mit Ablagerungen eines alten Bergsturzes. Vielleicht spiegelt die Erzählung Beobachtungen wieder, die tatsächlich vor einen Bergsturz gemacht werden können. Der Schweizer Geologe Albert Heim schreibt 1932 in seinem Buch „Bergsturz und Menschenleben“:

„Im Waldboden findet man Baumwurzeln über klaffende Spalten gespannt wie Seiten einer Violine, und kann an dieser Spannung den Fortgang der Bewegung in neuester Zeit erkennen. In einem in vollem Gange befindlichen Abrissgebiete kann im Wald ein heftiges Geknatter durch das Zerreissen der Wurzeln entstehen. … Natürlich werden im Gebiete von Schuttrutschungen die Bäume schief verstellt, wachsen nachher bei Stillstand wieder senkrecht nach oben, werden wieder verstellt usw. So können Bäume, besonders Tannen, im Laufe der Jahre zu einer vollen Chronik der Bewegung werden. Dies gilt für das Abrissgebiet, wie für die Fahrbahn und das Ablagerungsgebiet.“

Nutzen und Nutzung Quartärer Sedimente

Quartäre Sedimente werden oft unterschätzt, spielen aber eine bedeutende Rolle als Baugrund, Rohstoff, Grundwasserträger und auch mögliche Gefahrenquelle, in der Form von Massenbewegungen.

Tongrube „Gasser“ mit Glaziolakustrine Schuttsedimente.

Lockergesteine werden in der Industrie zumeist als „Steine und Erden“ zusammengefasst, der Begriff umfasst bindige und nicht bindige Sedimentgesteine.

Nicht bindige Sedimente wie lockerere Sand und Kies sind vor allem als Baustoff für Straßenbau begehrt. Die Rundung und Korngrößenverteilung des Sediments spielt dabei eine bedeutende Rolle. Besonders hohe Ansprüche werden an Sand und Kies als Betonzuschlagstoffe gestellt. Das Material muss möglichst rein sein (lehmig-tonige Bestandteile unter 2%) und keine Beimischungen enthalten (die Wasser aufnehmen oder zu unerwünschten Reaktionen führen könnten). Scharfkantige Einzelkörper verbinden sich besser mit Mörtel und bilden einen stabilen Werkstein aus.

Sehr reine Quarzsande (um die 98%) spielen in der Glasindustrie eine wichtige Rolle. Tatsächlich sind geeignete Sande sehr rar und es gibt dokumentierte Fälle von Sandraub.

Schwachbindige Gesteine wie schluffiger Lehm haben große Bedeutung für die Herstellung von Mauerziegeln.

Bindige Sedimente wie Lehme und Tone sind wichtig für die keramische Industrie, Ziegelherstellung und chemische Industrie (zum Beispiel als Flußmittel).

Massive bzw. zementierte Gesteine wie zum Beispiel Travertin, ein poröser Kalkstein, spielen als Werk- und Dekorstein eine gewisse Rolle in der Architektur.

Quartäre Sedimente spielen weiters eine Rolle als Baugrund und Standort für Deponien. In den übertieften Tälern der Alpen sind quartäre Sedimente als Grundwasserspeicher wichtig.

Typische Holozäne Sedimente:

  • Bachschotter/-terassen
  • Flussschooter/-terassen
  • Auenablagerungen
  • Schwemmfächer
  • Murfächer
  • Schuttkegel
  • Moore
  • Seeablagerungen
  • Rückstandslehm
  • Blockmeer
  • Steinsohle
  • Orterde
  • Hanglehm/-schutt
  • Bergsturzmasse

Typische Pleistozäne Sedimente:

  • Moräne
  • Findlinge
  • Sander
  • Schotter
  • Beckenablagerungen
  • Periglaziale Sedimente
  • Blockstrom

Erdpyramiden im Pustertal

„Piramidi di terra“! Meravigliose rovine, meravigliosi resti della naturale opera di demolizione … delle acque e delle intemperie su un’altra opera costruita dalla natura.“

Giuseppe Nangeroni
Erdpyramiden in Südtirol.

Die Erdpyramiden von Platten sind das bedeutendste Erdpyramidenvorkommen des Pustertales, auch wegen der Vielfalt der Gebilde. Sie bestehen aus hellgrüngrauem, vorwiegend granitischem Grundmoränenschutt der entlang des Litschbaches über Wielenberg vorkommt. Vor einige hundert Jahren gab es durch ein Unwetter einen Erdrutsch, der den damals bestehenden Karrenweg zwischen Thalerhof und Aschbach unterbrach. Es wäre zwar leicht gewesen, die Abbruchstelle mit Erde aufzufüllen, doch es tat niemand, da es keine wichtige Verbindung war. Im Jahre 1882 kam es wieder zu einem großen Unwetter und es bildete sich ein großer Graben. Durch wiederholtes abschwemmen und auswaschen des eiszeitlichem Moränengeschiebes entlang der Seitenhänge des Litschbaches blieben die lehmhaltige Säulengebilde mit den daraufliegenden Steinen stehen. Heute liegt die Erosionszone in einer Höhe von 1550 bis 1750 Meter. Die mit einem Deckstein versehenden Erdpyramiden weisen verschiedene Formen auf, dünn und zart die einen, dick und klobig die anderen. Diese Erdpyramiden verändern sich ständig, besonders im Winter und Frühling bilden sich immer wieder neue Säulen.

Die Erdpyramiden von Terenten sind insofern interessant, als ihre Geschichte sehr genau bekannt ist – sie gehen auf ein Unwetter (mit mehreren Toten) im Jahre 1837 zurück, als der Terner Bach den Steilhang freilegte und so die Erosion der überkonsolidierten Moräne begann. Sie bestehen aus hangwärts geschichtetem, kristallinem Moränenschutt an der Ostseite von Terenten in rund 1450 Meter Höhe. Um 1920 sind einige zerschnittene Kämme beschrieben, um 1935 einige Erdpyramiden mit Deckstein und um 1956 bereits eine „Erdpyramidenlandschaft.“

„Die unterste Lage des Gletscherschutts ist hellgrau und undeutliche geschichtet; sie enthält fast ausschließlich grobkörnige Granitmaterial und ziemlich abgerundete Steine und Felsblöcke. Die darüberliegenden Schicht ist dunkler und enthält Granit, Orthogneis und etwas Grünschiefer; sie ist deutlich geschichtet und völlig ohne größere Gesteinsbrocken. Die oberste, ein paar Meter hohe Lage besteht wieder aus hellem Material. Gegen den Berg hin herrschen Racheln und Ruinenstädte mit mächtigen Pfeilern vor […] talwärts stehen hingegen spitzkegelige und klassische Pyramiden. Interessant ist die Tatsache , daß die Erosion hier auf zwei Schuttmassen mit fast gleichen Eigenschaften eingewirkt hat: in der mit Felsblöcken kam es zur Bildung von Pyramiden der klassischen Form, in der anderen, die keine Felsblöcke enthält, konnten sich nur Ruinenstädte und Racheln bilden.“

PERNA (1971): Erdpyramiden im Trentino und in Südtirol.

Die Ablagerungen sind im Gegensatz zu klassischen Moränen schwach geschichtet, Hinweiß das es sich um umgelagertes Moränenmaterial, wahrscheinlich durch fluviatile Prozesse vor dem sich zurückziehenden eiszeitlichen Talgletscher, handelt.

Literatur:

  • BENL, G. (): Über Südtiroler Erdpyramiden und ihre Entstehung.
  • CLERICI, A. (2013): Passeggiate Geologiche in Valle Isarco. Casa Editrice A. Weger, Bressanone: 363
  • KLEBELSBERG, R. (1956): Südtiroler geomorphologische Studien – Das Pustertal (Rienz-Anteil). Schlern Schriften Bd.151:
  • PERNA, G. (1977): Piramidi di terra nel Trentino-Alto Adige. Manfrini Editore.
  • STAINDL, A. (1976): Kurze Geologie von Südtirol.