Sagenhaftes Südtirol: Die Magie des Karfunkelsteins

„Nach einer Tiroler Sage erfahren wir folgendes über die Erschaffung der Gemse. Der Teufel bekam eines schönen Tages, nach ständigem Drängen an den Herrgott, die Erlaubnis dem Schöpfer ein Tier nachzubilden und ein „Viech“ zu schaffen. Nun war es seine erste Tat eben diesem „Viech“ schöne nach rückwärts gewundene Hörner zu geben, wie er selbst sie trug als Wahrzeichen seiner höllischen Macht. Da der Teufel aber für die Gestalt der Ziege sowohl des Bockes als auch der Geiß eine besondere Vorliebe hatte, mußte auch sein Tier so aussehen, nur daß er Bock und Geiß aus Übermut gleichermaßen mit Hörner, richtiger gesagt, mit der „Krucke“ ausstattete. Damit es aber noch ein besonderes Aussehen erhalte, setzte er den Bart nicht an diese Stelle, wo ihn die Ziegen haben, sondern boshafterweise über das Waidloch. Dazu tat er noch einen langen buschigen Fuchsschwanz. Als die „Viecher“ so fertig waren, hatte er eine richtige Teufelsfreude und gab ihm das Gebirge zum Wohnort, dort wo die Felsen und Grate am gefährlichsten sind, weil er wußte, daß dieses von ihm geschaffene sonderbare Wild die Jäger und Wildschützen besonders reizen würde und so mancher infolge seiner blinden Leidenschaft Leib und Leben daransetzen werde. Als sie aber so im Gebirge dahinsausten, die Teufelstiere, da sah er zu seinem Ärger, daß sie ständig mit ihren wunderbaren Fuchsschwänzen in Latschen und Zuntern hängen blieben und er, der Teufel, mußte hinterher sein und sie wieder aus ihrer unbequemen Lage befreien. Das ermüdete nicht nur sehr, sondern kostete vor allem auch sehr viel Zeit und außerdem ging ihm dabei manches „Viech“ zugrunde, was ihn sehr verdroß. Als er eben wieder daran war, so ein „Viech“ loszulösen und es im Augenblicke nicht gelang, biß er kurzerhand den Fuchsschwanz ab und machte es sogleich auch an allen anderen Gemsen, so daß an Stelle des buschigen Langschwanzes nun nur mehr das kurze Stutzer! zu sehen ist, das der Jäger mit dem Namen „Wedel“ bezeichnet. Den wertvollen Bart aber, den Schmuck jedes Tiroler Schützenhutes, tragen die Gemsen noch heute dort, wo er nicht hingehört, nämlich über dem Hintern.“

R. Rothleitner „Volkstümliches über die Gemse“ (1937)

Die Gämse oder Gams spielt in den Sagen, Brauch und Geschichten aus den Alpen eine kleine, aber feine Rolle. Sie ist eines der Symboltiere der Berge und Flur- und Bergnamen beziehen sich auf sie. Allein sieben Berge in den Alpen heißen Gamskogel und die Ortschaft Kitzbühel in Tirol hat eine Gams im Wappen. Auch viele traditionelle Lieder behandeln die schwierige und gefährliche Jagd nach ihr.

Gamsjäger waren einige der wenigen Alpenbewohner, die sich in die hohen Gipfelregionen vorwagten. Sie kannten die Berge, wie man sich zwischen Fels und Geröll bewegen kann, und wussten auch wenn sich das Wetter verschlechtern würde.

Gamsjäger wurden bewundert, aber da sie sich so oft in die Berge vorwagten, hatten sie auch einen eher zwielichtigen Ruf. So soll die Gams, mit ihren hakenförmigen Krucken und schwarzen Fell, eigens vom Tuifl geschaffen worden sein, um die jungen Jäger ins Gebirge und so in ihr Verderben zu locken. Sogar der große Naturforscher Saussure schreibt in seinem Buch Voyages dans les Alpes (1786-1796), dass Gamsjäger, “in den Wildnissen mit dem Teufel Umgang, der sie dann endlich in den Abgründen stürze”, hätten. 

Doch der Tuifl kennt auch viele Geheimnisse der Berge.

Im Jahre 1745 entdeckt der Bauer Andrä Kreidl auf der Gamspirsch am Roßrücken im hintersten Zillertal die ersten Granate, und beginnt zwei Jahre später mit dem Abbau für Schmucksteine.

Rote Granatkristalle im Glimmerschiefer aus der Sammlung Giuseppe Garbari (1863-1937).

Die Granatvorkommen Südtirols liegen hauptsächlich im Bereich von kristallinen Schiefern und Gneise der Zentralalpen, doch kommen Granate auch in Kontaktzonen, in magmatische Intrusionen und Resten ozeanischer Kruste vor.

Das Passeiertal ist ein bekanntes Fundgebiet für Granate. Der Granatkogel, der seinen Namen dem ungewöhnlichen Almandinreichtum verdankt, ist von der Timmelsjochstraße über das Seebertal hin erreichbar. Die herabgestürzten Felsblöcke und Moränenmaterial rund um den kleinen Seebersee sind ergiebige Fundstellen. Begleitmineralien sind Hornblende in schwärzlich-grüne, bis 20 Zentimeter langen Büscheln (genannt Garben) sowie Disthen. Wie in anderen Gebieten der Ostalpen (Zillertal) wurde auch hier einst Granat für Schmuckzwecke gewonnen. Im letzten Krieg fand das Material auch als Schleifmittel Verwendung.

Eine weitere wichtige Fundstelle ist das berühmte Bergwerk St.Martin am Schneeberg.

Das Pfitschtal biegt bei Sterzing vom Eisacktal in Richtung Osten hin ab. Es handelt sich um ein geologisch höchst interessantes Gebiet, das auch in der Geschichte des Mineraliensammelns eine bedeutende Rolle spielte. Im Talgrund ist die Gesteinsabfolge des Tauernfensters aufgeschlossen. Auf der nördlichen Talseite ragen die älteren, hellen Gneisformationen des europäischen Kontinentalplatte auf, die von einem weißen Quarzitband, das sich vom Talboden bis zum Pfitscherjoch hinzieht, überlagert werden. Meeresboden des Penninischen Ozeans, der ursprünglich aus Tiefseesedimente, basaltischen Tiefseelava und Peridotiten bestand, wurde hier metamorph in bräunliche Kalkschiefer, grüne Chloritschiefer und Serpentinit, die auf der südlichen Talseite aufgeschlossen sind, umgewandelt. Spessartin kommt in Millimetergroße, gelbliche bis rötliche Kristalle, sowie Grossular als Millimetergroße, rote Kristalle, im Grüngestein vor. Berühmt ist die Fundstelle auf der Burgumer Alm.

Literatur:

  • FRUTH, L. (1975); Mineral Fundstellen – Band 1 Tirol Salzburg Südtirol – Ein Führer zum Selbersammeln. Christian Weise Verlag: 208 Seiten
  • Gartner et al. (2002): Burgum im schönen Pfitschtal. Mineralogie – Geologie – Archäologie. Geschichte und Geschichten. Eigenverlag Arthur Gartner, Sterzing: 128 Seiten
  • GARTNER, A. (2010): Im Reich der Bergkristalle. Die Mineralien des Pfitschtales. Erker
  • Glas et al. (1997): Zillertal: Das Tal der Gründe und Kristalle. extraLapis Nr. 12: 96
  • HOSSFELD, J. (1977): Die Mineralien im Sterzinger Gebiet – Einige Hinweise zu den Fundorten Alpiner Mineralien im Gebiet um Sterzing. Klub Eisacktaler Mineraliensammler, Athesiadruck Brixen: 75 Seiten

Stoanklauber in Tirol

„Es ist fast nichts in dem Mineralreiche, wovon Tirol nicht etwas besitzt.“

Josef v. Sperges, 1765
Das Tauernfenster auf der „Geognostische Karte Tirols„, um 1849. Das Zusammentreffen von verschiedenen Gesteinsarten – Sedimente und Lavagestein des Penninischen Ozeans und Gneise des europäischen Kontinents – verbunden mit der Metamorphose durch die Auffaltung der Alpen vor 60 bis 30 Millionen Jahre, führte zur Bildung vieler verschiedener Minerale, die heutzutage in den Tiroler Bergen gefunden werden können.

Die „Stoansucherei“ ist ein steinaltes Gewerbe. Bereits vor 9.600 Jahren suchten die Menschen die Gipfelregionen der Tiroler Alpen auf, um Bergkristall zu sammeln und aus diesen Steinwerkzeuge herzustellen. Abbau von Kupfererz ist in Südtirol ab ungefähr 1.300 v.Chr. nachgewiesen. Bei St. Lorenzen wurden Hinweise auf Kupferverarbeitung in der Frühen und Mittleren Bronzezeit gefunden. Vom Ternerbühel stammt eine steinerne Gussform für Kupferbeile und auf der Kleinen Pipe bei St. Georgen ist ein Stück eines Gusskuchens erhalten geblieben. Welche Kupfererzlagerstätte zwischen Pfundererberg, dem Tauferer- und Ahrntal genutzt wurde ist allerdings unbekannt. Im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit erlebte der Bergbau hier eine Blütezeit.

In 1558 verfasst Georg Rösch v. Geroldshausen die älteste bekannte Aufzählung von Tiroler Mineralien. Er listet hauptsächlich Erze und Gesteine auf, die in den verschiedenen Bergwerken abgebaut werden, erwähnt aber auch Minerale die auf den vergletscherten Gipfeln der Tauern gefunden werden können.

„Granaten, Talggen, Kobolt, Federweiss: Die Malochiten haben ihren Preyss; … Crystallen darbey, durchsichtig weiss. … der edle Lapis Armenus [hier vermutlich Azurit], Den man sunst bringt aus fernen Landten, Der ist auch in Tyrol vorhandten.“

Um 1581 berichtet Ladurner, dass die Bewohner des Zillertals mit dem Abbau von Federweiss (Asbest und Talk vom Hollenzen, Greiner und Rotkopf) etwas Geld dazuverdienen. In 1745 entdeckt der Bauer Andrä Kreidl auf der Gamspirsch am Roßrücken im hintersten Zillertal die ersten Granate und beginnt zwei Jahre später mit dem Abbau für Schmucksteine.

Der Roßrücken im hintersten Zillertal teilt den Gletscher in Hornkees und Waxeggkees. Alle drei Bereiche sind bekannt für ihren Mineralreichtum, insbesondere für die Granate. Die Almandine finden sich im Bereich des Roßrückens in lauchgrüne, feinkörnige Chlorit-Biotitschiefer. Im Bereich der Gletscher handelt es sich bei dem Muttergestein hingegen um einen Granitgneis.

In 1738 beschreibt Anton Reschmann in seinem „Regnum animale, vegetabile et minerale medicum Tyrolense“ die „Carbunculi calcedoni“ – vermutlich Granate – im Tauferer Tal. In 1777 beschreibt Ritter Erenbert von Moll die Mineralien die in Tirol gefunden werden können:

„Gold in Quarz und Schiefer mit goldischem, silberhältigen Marcasit … Silber in Bleyglanz … Bley …. Eisen in Schiefer … Kobald … Granaten … Grüner und schwarzer Störl [und] Sinectis (Talk) vom Greiner.“

Im Sommer 1777 wurden in herabgestürtzten Talk-Chlorit-Blöcken vom Greiner schwarze, wirrstrahlige angeordnete Kristalle bis über 10 Zentimeter Länge gefunden. Der kaiserlich-königliche Direktoratsrat in Tirol und Naturforscher Franz Joseph Müller vermutete, dass es sich um Turmalin handeln könnte und führte weitere Untersuchungen durch. Das Vorkommen von „Störl oder Schörl“ am Greiner ist auch der erste Fund von Turmalin in Europa überhaupt (vorher nur von Ceylon und Brasilien bekannt).

Abbildung von Turmalin-Kristallen vom Greiner (Zillertal) aus „Nachricht von den in Tyrol entdeckten Turmalinen oder Aschenziehern„, Franz Joseph Müller von Reichenstein (1778).
Turmalin Kristall in Chloritschiefer vom Pfitschtal. Es handelt sich um dieselbe Gesteinsformation die zum Greiner ins Zillertal hinüberzieht. Etikette von der Brendler Sammlung, um 1923.

Ein weiterer Forscher der in 1784 ins Zillertal reiste ist Belsazar Hacquet. In „Hacquets Mineralogisch-botanische Lustreise von dem Terglou in Krain zu dem Berg Glokner in Tyrol“ (1784) berichtet er von einem Jäger, der ihm in Breitlahner Stufen mit Granat und „Strahlschörl“ (wohl Aktinolith) verkauft.

Die ersten Mineralien wurden bereits im 16. Jahrhundert an den Fürstenhöfen Europas als Kuriositäten gesammelt. In Tirol legt Erzherzog Ferdinand II. (1529-1595) auf Schloß Ambras eine bedeutende Sammlung an, die auch Kristalle aus dem Zillertal umfasst. Aber erst im 19. Jahrhundert wird das Mineraliensuchen und -sammeln auch für weniger begütete Sammler erschwinglich. Um 1796 werden die ersten „Stuffenhändlern“ erwähnt, Leute die in den Bergen nach Mineralien und Gesteine suchen und nach Augsburg und München verkaufen. Selbst Johann Wolfgang von Goethe besitzt eine „Suite“ mit 37 Tiroler Mineralien – darunter schöne Diopside, Granate, Bergkristall, Cyanit, Tremolith, Pyroxen, Eisenglanz, Apatit und Idiokras (Vesuvianit) – die er von seinem Gönner Großherzog Carl August geschenkt bekommen hat.

Wäre der von Alois Pfaundler in 1803 vorgeschlagene „Mineralogisch-geognostischen Vereins in Tirol“ auch tatsächlich gegründet worden, wäre Tirol auch das erste Land mit einem eigenen Mineralienverein geworden. So aber wird der erste Mineralienverein in 1807 in London gegründet, gefolgt in 1830 von Paris, in 1836 von Tirol und in 1848 von Berlin. Das Mineraliensammeln ist von einem einfachen Zusammentragen von Naturkuriositäten zu einem wissenschaftlichen Hobby geworden.

Es werden auch die ersten Mineralienführer veröffentlicht. In 1821 veröffentlicht Wilhelm, Edler von Senger das erste Mineralienbüchlein mit dem Titel „Versuch einer Oryctographie der gefürsteten Grafschaft Tyrol“, gefolgt in 1852 von Karl Doblickas „Tirols Mineralien“ und Leonhard Liebeners „Die Mineralien Tirols.“ Der Südtiroler Naturhistoriker Georg Gasser veröffentlicht in 1913 sein umfassendes Standardwerk über „Die Mineralien Tirols.“

Und wo es eine Nachfrage für immer neue Mineralstufen gibt, da gibt es auch einen Markt.

Um 1850 öffnen die ersten Mineraliengeschäfte, die Stufen und Mineralien-Partien an interessierte Sammler anbieten. Der Mineralienhändler Kassian Mayr aus Straß bietet zum Beispiel „grünen Augit, Granat, Turmalin, verschiedene Quarzkristalle, Chalcedon, Prehnit, Zeolith, Analcim, Adular, Periklin, Apatit, Liebenerit, Egeran“ und andere Minerale an. Um 1870 erlebt der Handel mit Tiroler Mineralien und Edelsteine eine Hochblüte.

Literatur:

  • FRUTH, L. (1975); Mineral Fundstellen – Band 1 Tirol Salzburg Südtirol – Ein Führer zum Selbersammeln. Christian Weise Verlag: 208 Seiten
  • Glas et al. (1997): Zillertal: Das Tal der Gründe und Kristalle. extraLapis Nr. 12: 96
  • HOSSFELD, J. (1977): Die Mineralien im Sterzinger Gebiet – Einige Hinweise zu den Fundorten Alpiner Mineralien im Gebiet um Sterzing. Klub Eisacktaler Mineraliensammler, Athesiadruck Brixen: 75 Seiten

Giovanni Arduino And The Geology Of The Dolomites

» [I worked] still young in the mines of Klausen and elsewhere in Tyrol, in order to learn Metallurgy; I went there by chance, and I was urged to stay by my natural very strong inclination for the universal Mineralogy, and for all the matters concerning the Science of the Fossil Kingdom. «

Venetian scientist Giovanni Arduino worked at an early age as a mining assistant in the iron mines of Klausen in South Tyrol.

Italian mining engineer Giovanni Arduino (1714-1795) is considered nowadays the spiritual father of the modern chronostratigraphic chart. Based on his observations in the Venetian Dolomites and Tuscany in 1759 Arduino proposed „a series of layers forming the visible crust of earth … “ subdivided „in four generalized units following each other.“ He named them primary, secondary, tertiary, and quaternary, speculating that they formed at various times and under different environments.

Arduino used a section of rocks exposed in the Val dell´Agno (Venetian Dolomites) to explain his classification. The numbers refer to the thickness of the strata, the letters to the description in the accompanying text. The extremely tattered state of the original drawing suggests that Arduino showed it repeatedly to the many naturalists who visited him.
  • Primary Layer: Pebbles formed by the erosion of underlying “primitive or primeval” – considered to be the earliest – rocks. Fossils were rare, if not absent. This unit includes unstratified or poorly stratified rocks, like porphyry, granite and schist, of the crystalline basement of the Dolomites. Arduino’s rock unit survives into modern chronostratigraphic charts as the Paleozoic Era (rocks older than 252 million years) and Precambrian Eon (541 million years to about 4.6 billion years ago).
Mica shist as crystalline basement rock of the Dolomites, Arduino’s Primary Rocks.
  • Secondary Layer: A well-stratified succession of marl- and calcareous rocks with marine fossils, making up the characteristic peaks of the Dolomites. In 1841, English geologist John Phillips, based on the correlation of fossils in rock strata worldwide, renamed this sedimentary succession the Mesozoic Era (252 to 66 million years ago).
Sas de Pütia showing Arduino’s Secondary Rocks, the well-stratified red Gröden-Sandstone, grey Bellerophon limestone and fossil-rich reef limestone.
  • Tertiary Layer: Poorly consolidated sediments like gravel, clay, fossiliferous sand, and also younger volcanic rocks. Our modern Cenozoic Era (66 to 2 million years ago).
A conglomerate of the Tagliamento catchment, dating into the Pleistocene to Miocene according to our modern stratigraphic system (2-23 million years). Similar deposits were Arduino’s Tertiary Rocks.
  • Quaternary Layers: Unconsolidated sediments found in valleys. Our modern Quaternary Period (2 million years ago to modern age).

Leopold von Buch und die Geologie der Alpen

Christian Leopold von Buch wird am 26. April 1774 in Stolpe, Landkreis Uckermark in Brandenburg, geboren. Er studiert gemeinsam mit Alexander von Humboldt an der Bergakademie Freiberg bei Abraham Gottlob Werner, dem Begründer der Geognosie (Gebirgskunde) in Deutschland, sowie an den Universitäten in Halle und Göttingen. Als Werners Schüler war er anfänglich ein Anhänger der Neptunismus-Theorie, wonach alle Gesteine als Ablagerungen aus einer wässrigen Lösung erklärt werden. Diese Erklärung passte zu den Basaltablagerungen Schlesiens, die anscheinend aus grob- und feinkörnigen Sedimenten hervorgegangen waren. Allerdings gab es schon damals Naturkundler die der Plutonismus-Theorie zugetan waren, wonach der Magmatismus und Vulkanismus die treibenden Kräfte hinter der Entstehung der Gesteine und Landschaften der Erde sind.

Im Jahr 1796 beschloss von Buch die Vulkane Europas zu studieren, um diese geologische Kontroverse zu klären. Im selben Jahr startet er daher gemeinsam mit von Humboldt eine Studienreise nach Italien. Die damaligen Kriegswirren während der Koalitionskriege halten sie aber zurück, sodass sie zunächst auf den Alpenhauptkamm und Salzkammergut ausweichen. Später besucht von Buch die “vulcanischen Berginseln im Venetianischen” (Tertiärer Vulkanismus in Norditalien) und in 1799 den Vesuv.

Von Buch erkennt hier Widersprüche in der Lehre des Neptunismus. In dem vulkanischen Gestein des Vesuvs kann er nämlich nachweißen, dass das Mineral Leucit direkt aus der geschmolzenen Lava auskristallisiert war. Zuvor hatte man angenommen, dass dieses Mineral aus dem von der Lava aufgenommenen Sedimentgestein stamme.

Nach seiner Italienreise begibt sich von Buch nach Paris, wo er unter anderem auf den berühmten Kristallgrafen René-Just Haüy trifft und es entwickelt sich eine herzliche Freundschaft. Mit dem Schweizer Jean-André Deluc, der den Begriff Geologie geprägt hat, kommt es dagegen zum erbitterten Streit über die Entstehung des Granits. Von Buch erklärt dieses Gestein nämlich noch als ein Sediment, im Gegensatz zu Deluc, der Granit als ein magmatisches Gestein interpretiert. Von 1800 bis 1802 hält sich von Buch in der Schweiz auf, um danach in die französische Auvergne zu reisen. Hier erkennt er, dass der Granit tatsächlich in Basalt übergehen kann. Da er nun wusste das Basalt ein vulkanisches Gestein ist – wie er eigenhändig am Vesuv beobachtet hatte – muss auch Granit ein magmatisches Gestein sein. Wärend der feinkörnige Basalt durch das schnelle Abkühlen des Magmas entsteht, entsteht der grobkörnige Granit durch die langsame Abkühlung, wobei die Kristalle mehr Zeit haben um zu wachsen und größer werden.

In den folgenden Jahren beschäftig sich Leopold von Buch weiter mit der Entstehung des Granits und seiner Bedeutung im Aufbau der Gebirge. Im Jahr 1806 reist er durch Skandinavien und kehrt in 1809 nach München zurück. Im Jahr 1814 hält sich Leopold von Buch für kurze Zeit in London auf. Danach setzt er seine Untersuchungen in den Alpen fort und reist auch zu den Kanarischen Inseln. Der Besuch der Kanaren bestätigte von Buch in seinen Glauben die Gebirgshebung mittels magmatischer Kräfte erklären zu können.

Laut seiner “vulkanischer Erhebungshypothese” entstehen Berge, wenn Gesteine durch lokale magmatische Aktivität, zum Beispiel die Intrusion von Granit, emporgehoben werden. Dabei werden die zunächst horizontal abgelagerten Sedimentschichten verfaltet, zerbrochen und steilgestellt.

„Die Hebung der Gebirge durch Kräfte, welche aus dem Inneren der Erde wirkend, gegen die starre Erdrinde kämpfend, sie zersprengend, Theile derselben emportreibend, deren Gestalt eigentlich begründen, erfolgt in ihrer Hauptlängenrichtung nach der Lage von Spalten, aus welchen die hebenden Gesteine hervorbrechen, während der in den Hauptketten dadurch erzeugte Druck seitlich wirkend eine Menge paralleler Nebenspalten erzeugt und den seitlichen Secundärketten ihr Dasein gibt.“

Im Jahr 1822 führt ihn eine längere Exkursion wieder durch die Alpen und auch nach Südtirol. Vulkanische Gänge, die hier die Sedimentgesteine der Dolomiten durchschlagen, beschreibt von Buch als ein klassisches Beispiel für seine vulkanischer Erhebungshypothese.

Geologischer Schnitt durch die “Tiroler Alpen.” Die Sedimentschichten werden hier durch magmatische Basalt- und Porphyrintrusionen verkippt und verstellt. Zeichnung der amerikanischen Illustratorin Orra White Hitchcock (1796-1863) nach Leopold von Buchs “vulkanischer Erhebungshypothese.”

Von Buch glaubte auch mit seiner Hypothese den symmetrischen Aufbau der Alpen erklären zu können. Die äußeren südlichen und nördlichen Zonen bilden Sedimente, die durch eine Intrusion aus magmatischen Gesteinen aufgefaltet und zur Seite gedrückt worden waren.

Die Alpen, Ausschnitt aus der ersten geologischen Karte Mitteleuropas, 1821. Hellblaue Signatur im Norden und Süden=Alpen-Kalk (Sedimente), Grüne Signatur im Norden und Süden=Sediment-Schiefer, Hellgelbe Signatur am Alpenhauptkamm=Granit-Gneis Formation.

Als er um 1835 schließlich alle Gebirge als “einer großen Kraftäußerung aus dem Erdinneren” entstammend erklärte, entbrannte ein Gelehrtenstreit, beinahe so heftig wie die vorherige Neptunisten-Plutonisten-Kontroverse.

Von Buch leistet Wichtiges auch für andere Zweige der Geologie. Im Jahre 1826 veröffentlicht er eine der ersten geologische Karten von Deutschland. Um 1837-39 prägte er den Begriff “Leitmuschel” um Fossilien mittels denen eine relative Altersdatierung möglich ist zu beschreiben. Als eine seiner bedeutendsten Leistungen gilt seine 1839 in Buchform veröffentlichte wissenschaftliche Definition des Gesteinssystems des Jura. Im Juli 1848 veröffentlichte eine Gruppe von 13 Geologen, Mineralogen und Bergleuten, darunter von Buch und von Humboldt, einen Aufruf zur Gründung einer Deutschen Geologischen Gesellschaft, die im Dezember auch gegründet wurde, mit von Buch als ihr erster Präsident.

Ammoniten als Leitfossilien der Muschekalk-Formation.

Noch bis kurz vor seinem Tode, im Berlin des Jahres 1853, war Leopold von Buch in der Welt unterwegs.

Literatur:

  • HUBMANN, B. (2009): Die großen Geologen. Marix Verlag: 192

Auf der Suche nach Erzadern in den Alpen

» Vermittelst seines bei sich habenden Perg Geists das Perg Männlein beschwören, Unnd aus Irrer Anntworth Clüfft und Geng, im Gebürge erfahrn … «

Beschreibung eines gewissen Hanns Aufinnger, der um 1607 behauptetet, mittels eines Wurzelmännchens mit den Berggeistern in Kontakt treten zu können und so Erzadern im Berg aufzuspüren.
Konkordante Erzlager in Paragneise im Bergbau Schneeberg. Anthophyllit, strahlig, braun- beige, überkrustet und verwachsen mit Zinkblende und Bleiglanz.

Im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit erlebte der Bergbau in den Alpen eine Blütezeit. Bevor ein Bergwerk aber gegründet werden kann, muss zunächst mal das erzhaltige Gestein gefunden werden. Die damaligen Prospektionsmethoden wurden erstmals durch Georgius Agricola in seinem „De re metallica libri XII“ (1556), eine systematische Darstellung des damaligen Berg- und Hüttenwesens, die er gemeinsam mit dem Bergmann Blasius Weffringer aus Joachimsthal veröffentlichte, besprochen und dargestellt. Diese alte Prospektionsmethode wurde von BREWEL & GSTREIN 1999 als Limonitdiagnostik zusammengefasst.

Der Prospektor sollte auf bestimmte Merkmale im Gelände achten, darunter auch Verfärbungen und Verwitterung von Gesteinen, wie z.B. Limonit (braun-gelblich gefärbtes Eisenoxid und -hydroxid das oft Erzgestein überkrustet, daher der Name Limonitdiagnostik). Zauberhafte Utensilien wie der Bergspiegel, mit denen Sagengestalten wie die Venedigermandln angeblich in den Berg hineinschauen konnten, beruhen vielleicht auf die Fähigkeiten der Prospektoren, aufgrund Verfärbungen oder Strukturen an einer (glatten) Fels- oder Bergwand die Erzadern zu finden.

Bestimmte Pflanzen oder Pflanzenassozationen, die tolerant gegenüber Schwermetallen im Boden sind, können auf Erzgestein im Untergrund hinweisen. Gleiches gilt für Krüppelwuchs, wenn zu hohe Schwermetallkonzentration zu Wachstumsstörungen oder das Absterben von Bäumen führen.

» Schließlich muß man auf die Bäume achten, deren Blätter im Frühling bläulich oder bleifarben sind, deren Zweigspitzen vornehmlich schwärzlich oder sonst unnatürlich gefärbt sind … auch wächst auf einer Linie, in der sich ein Gang erstreckt, ein gewisses Kraut oder eine gewisse Pilzart … dies sind die Hilfsmittel der Natur, durch die Gänge gefunden werden. «

Seit jeher schürfen die Menschen nach den Schätzen der Erde und versprechen sich Reichtum und Glück. Generationen von Knappen und Bergleuten gruben tiefe Stollen in die Berge auf der Suche nach Edelmetallen und Erzgestein. Noch heute prägen Abraumhalden die Hochebenen, die von Erzpflanzen besiedelt werden, wie hier in Ridnaun durch das Alpenleinkraut (Linaria alpina).
Erzflechte (Lecidea silacea) auf erzhöffigen Prasinit.

Verwitterungsresistente Gesteine die Erz enthalten, wie z.B. Dolomit, können als Härtlinge in der Landschaft auffällige Kuppen bilden. Die Stelle, an der eine Erzader an die Oberfläche kommt, nennt der Bergmann Ausbiss oder aufgrund der rostigen Färbung auch Eiserner Hut. Mittels Lesesteinkartierung in Bächen oder in Schutthalden verfolgt man umgelagertes Geröll das letztendlich zum oberflächlichen Ausbiss der Erzadern führt. Ebenso bewog den Bergmann eine bestimmte Ausbildung eines Gesteins oder eine natürliche Auflockerungszone zum Schürfen, die dadurch den Vortrieb in den Berg wesentlich erleichterte.

Vermutlich mittelalterlicher Probeschurf im Bergbaugebiet Röttal, Gemeindegebiet Prettau.

Auffällig braune, rötliche oder grünliche Ausfällungen in Bächen, oder der metallische Geschmack von Quellen zeigen gelöste Metalle im Grundwasser an. In moorigen Bereichen flockt Eisen bevorzugt aus dem Wasser aus, und bildet rötliche Ablagerungen von Rasenerze zwischen der Vegetation.

Manche Beobachtungen können nur zu bestimmten Jahreszeiten gemacht werden. Die Verwitterung und Oxidation von Erzen (z.B. Pyrit) im Untergrund kann zu einer geringen Wärmeentwicklung führen, die an der Oberfläche abstrahlt. An solchen Stellen findet man im Winter kein Eis und auch der Schnee bleibt im Frühjahr nicht so lange liegen.

Literatur:

  • KOFLER, H. (2012): Silber und Blei – Der Bergbau im raum Sterzing im 15. und 16. Jahrhundert. Berenkamp Verlag: 196
  • MAIR, V.; VAVTAR, F.; SCHÖLZHORN, H. & SCHÖLZHORN, D. (2007): Der Blei-Zink-Erzbergbau am Schneeberg, Südtirol. Mitt. Österr. Miner. Ges. Bd. 153: 145-180
  • PALME, R.; GSTREIN, P. & INGENHAEF, F. (2013): Schwazer Silber – Auf den Spuren der Schwazer Silberknappen. Berenkamp Verlag: 128
  • PUNZ, W. et al. (1994): Pflanzenökologische Befunde vom Bergbaugebiet Schneeberg/Monteneve in Passeier (Südtirol/I): 67-81

Sagenhaftes Südtirol: Die Fossilien der Dolomiten und der Krampus

„Müßt‘ einer schon a narreter Teufel sein, dass er da umasteigat.“

Mitt. Des Deu. Oe. Ap., 1917

Die Nacht vom 5. zum 6. Dezember ist Krampusnacht, wenn der Krampus, halb Ziege und halb Mensch, die Häuser von unartigen Kindern besucht. Die dunklen, langen Winternächte waren in den Alpen schon immer eine unheimliche Zeit. Besonders gefürchtet war die Zeit zwischen den 25. Dezember zum 6. Jänner, die sogenannten Raunächte. In diesen Nächten waren die Perchten unterwegs, eine Schar von unheimlichen Tiergeistern.

Viele der Perchten haben die Hufe und die Hörner eines Steinbocks. Gamswild sieht man eher selten, obwohl – laut Sage – die Gams, mit ihren hakenförmigen Krucken und schwarzen Fell, eigens vom Teufel geschaffen worden sein soll um die jungen Jäger ins Gebirge und so in ihr Verderben zu locken. Sogar der große Naturforscher Saussure schreibt in seinem Buch Voyages dans les Alpes (1786-1796) noch, dass die Gemsjäger “in den Wildnissen mit dem Teufel Umgang [hätten], der sie dann endlich in den Abgründen stürze.”

In diesen Sagen steckt ein Körnchen Wahrheit.

Alpengams (Rupicapra rupicapra).

Die charakteristischen Steilwände einige der bekanntesten Gipfel in den Dolomiten werden von der Hauptdolomit-Formation gebildet, die 1876 in die Alpenstratigraphie eingeführt wurde. Es handelt sich um eine bis zu 1.000 Meter mächtige zyklische Abfolge von Dolomitgestein-Bänken die in der Trias, vor 216 bis 203 Millionen Jahre, im Flachwasserbereich einer ausgedehnten Karbonatplattform in der Tethys-See abgelagert wurden. Vergleichbare Ablagerungsbereiche können heutzutage z.B. im tropischen Meer rund um die Bahamas-Inseln gefunden werden.

Die Hauptdolomit-Formation am Heiligkreuzkofel (3.026 Meter) im Gadertal zeigt die typische Bankung dieser bis zu 1.000 Meter mächtigen Formation.

Seltsame halbrunde Formen mit einer Spalte dazwischen, die in dieser Gesteinsformation gefunden werden können, wurden von Bauern und Hirten des Pustertales und des Gadertales manchmal als Hufabdrücke des Tuifl erklärt. Der Krampus oder Teufel heißt im Pustertal “Tuifl” und hat die Gestalt eines Geißbocks, einschließlich Bocksfüßen und gespaltenen Hufen.

Querschnitt einer Megalodon-Muschel.

Tatsächlich handelt es sich um die Querschnitte von Muscheln. Vergraben im Kalkschlamm der Trias-Karbonatplattform lebten große Muscheln der Gattung Megalodon.

Nach ihrem Absterben füllten sich die nun leeren Schalen mit feinem Kalk und blieben als Fossilien erhalten. Durch Erosion werden die herz- bis hufförmigen Querschnitte der beiden Muschelschalen heutzutage wieder freigelegt.

Megalodon Fossilien in Steinkern-Erhaltung.

Wetterchaos und Hangrutschungen in Südtirol

Nach ergiebigen Regen und Schneefall seit Mittwoch 13. November 2019 ist es am Wochenende landesweit zu Vermurungen und Rutschungen gekommen.

Am Samstag ist ein Felssturz auf die Staatsstraße zwischen Latsch und Kastelbell im Vinschgau niedergegangen. Ein Felsbrocken war bis auf die Straße gestürzt, ein Fahrzeug prallte gegen den Gesteinsbrocken und verletzte einen 69 Jahre alter Südtiroler leicht. Auch zwischen Tschars und Kastelbell ist es zu einem kleineren Steinschlag gekommen. Die Vinschger Staatsstraße bleibt zurzeit gesperrt.

Felssturz bei Kastelbell. Foto FF Latsch.

Wegen einer drohenden Vermurung des Tilserbaches in Brixen wurden am Sonntagabend vorsorglich die Bewohner im Bereich des Gewässers für einige Stunden evakuiert.

Das obere Pustertal war wegen einer Rutschung am Sonntagabend entlang der Staatsstraße am Kniepass bis Montagfrüh nicht erreichbar. Am Montag ist gegen 8 Uhr Morgens bei der Einfahrt Mühlbach Ost eine Mure auf die Gleise der Pustertaler Bahnlinie abgegangen. Ein Zug, der in Richtung Franzensfeste unterwegs war, wurde ausgebremst und vier Wagone sind aus den Gleisen gesprungen. Eine kleinere Mure auf die Gleise ist vor St.Lorenzen abgegangen. Die Bahnlinie ins Pustertal ist nach diesen Ereignissen für mindestens einen Tag gesperrt.

Pusterer Bahn am Montagfrüh. Foto UT24.

In Barbian ist es Montagfrüh gegen 6 Uhr zu einem Erdrutsch oberhalb des Fall-in-Aich-Hofes oberhalb vom Ortskern von Barbian gekommen. Der zum Hof gehörige Hühnerstall war durch den Erdrutsch um etwa 5-6 Meter verschoben worden, berichtet der Kommandant der FFW Barbian. Die dahinterliegende Mauer konnte die Erdmassen nicht aufhalten. Auch die Garage war durch den Erdrutsch stark beschädigt worden.

Foto FFW Barbian.

Eine Mure hatte sich oberhalb von Albeins gelöst und drang am Montag bis ins Zentrum der Brixner Fraktion vor.

Foto FFW Albeins.

Die derzeitige Lage erinnert an den Winter 2008. Nach ergiebigen Schneefällen Anfang Dezember, kam es damals zu Steinschlag und Rutschungen im Eisacktal und Mendelgebiet. Warmes Wetter im November 2008 verhinderte, dass der Boden durchfror. Schnee und Regen konnten in den Boden einsickern und die aufgeweichten Lockersedimente führten zu Muranbrüchen und Hangrutschungen. Die derzeitigen Temperaturen um die 0°C führen auch zu Regen und nassen Schnee, der den Boden zusätzlich belastet, Bäume umknickt und das Einsickern von Wasser fördert.

Klimadaten vom 14. Oktober bis 17. November 2019, Wetterstation Bruneck.
Gemeldete Rutschungen, Muren und Steinschlag in Südtirol, Stand November 18, 2019.

Pflanzen der Alpen: Kalk- und Silikatanzeiger

„Das Gestein erzeugt die Formen der Pflanzen. In der Region des Felsigen können im Allgemeinen in dem daselbst herrschenden ungleichförmig gemengten Boden nur solche Pflanzen auftreten, die gewisse Gesteinsgruppen zu ihrer Unterlage vorziehen.
In der Region des Zertrümmerten können im Allgemeinen in dem daselbst herrschenden gleichförmig (aus Kalkerde, Kieselerde und Thonerde) gemengten Boden nur solche Pflanzen auftreten, die alle Gesteinsgruppen ohne Unterschied zu ihrer Unterlage wählen können.“

STUR, D. (1856): Über den Einfluss des Bodens auf die Vertheilung der Pflanzen. Als Beitrag zur Kenntniss der Flora von Österreich, der Geographie und Geschichte der Pflanzenwelt.

Die Pflanzenwelt ist das Kleid der Erde, das als lebende und belebende Hülle ihre tote Masse bedeckt, die Starrheit ihrer Formen mildert und jeden Teil der Bergwelt recht eigentlich erst einen Reiz verleiht. Sie ist es, die unsere Matten gleich einen üppigen musterreichen Teppich vor die schroffen Felswände hinbreitet und die uns oft in den steilsten Gesteinsformationen noch mit zierlich prangenden Blüten erfreut – dort, wo jeder Pflanze  des Tieflandes der Standort zu eisig, der Hang zu steil und der Fels zu hart wäre. Mit auffallender Mannigfaltigkeit und mit seltenem Reichtum an Formen tritt die alpinen Flora in den bergen auf und erschließt ihre farbensatte Schönheit jedem, der sich ihr liebevoll naht, jedem, der in den niedlichen Kindern des Blumenreichs seien Aufmerksamkeit zuwendet. Wollen wir doch in Hinkunft nicht allein mit Bewunderung, sondern auch mit verständnisvoller Betrachtung uns mit den Eigenheiten der alpinen Flora beschäftigen, den tausendfältigen Beziehungen zu ihrer engeren und weiteren, zu ihrer toten und lebendigen Umgebung Aufmerksamkeit schenken – geleitet von dem Gedanken, daß die Alpennatur in ihrer ganzen Größe nur der richtig verstehen kann, der dieselbe auch im Kleinen, in ihrer Einzelheiten beachtet und betrachtet!

TURSKY, F. (1921): Die alpine Flora in ihrer Abhängigkeit vom Klima und Boden des Hochgebirges.

Einige Pflanzen zeigen Anpassung an bzw. meiden bestimmte Gesteinsarten. Im Überschuss vorhandenen Kalzium-Ionen im Bodenwasser können toxisch auf Pflanzen wirken – manche Pflanzenarten haben sich Mittels einer Kalzium-Toleranz daran angepasst. Bei vielen Pflanzengattungen sind nahe verwandte Arten entstanden, die sich auf bodenbasische und bodensaure Standorte aufteilen und eine grobe Vegetationsgliederung in basiphile and acidophile Pflanzengesellschaften ermöglichen. Wälder im Kalkschiefergebiete bestehen vorwiegend aus Lärchenwälder mit geringen Fichtenbeimengungen. Kalk-Kiefernwälder (Erico-Pinetum sylvestris) kommen an den Dolomithängen oberhalb Mauls und Stilfes vor. Reine Fichtenwälder treten auf Silikatgestein auf.

Der Silikat-Glocken-Enzian (Gentiana acaulis) meidet eher Kalk, im Gegensatz zu seinen nahen Verwandten den Kalk-Glocken-Enzian (Gentiana clusii).

Der Silikat-Glocken-Enzian (Gentiana acaulis), von der nahe verwandten Art Gentiana clusii, welche nur in Kalkmagerrasen vorkommt, unterscheidet er sich durch breitere Kelchbuchten, welche durch ein zartes Häutchen verbunden sind. Die Buchten zwischen den Kelchblättern sind bei G. clusii spitz. Die Krone von G. acaulis zeigt innen olivgrüne, fleckige Streifen.

Die Bewimperte Alpenrose (Rhododendron hirsutum) tritt auf Kalkuntergrund auf, währen die Rostblättrige Alpenrose (Rhododendron ferrugineum) typisch für Silikatgebiete ist.

Rostblättrige Alpenrose (Rhododendron ferrugineum) im Knuttental.
Bewimperte Alpenrose (Rhododendron hirsutum) im Mendelgebiet.
Aus REISIGL & KELLER 1999.
Aus REISIGL & KELLER 1999.

Literatur:

  • HARTL, H.; PEER, T. & FISCHER, M.A. (2014): Pflanzen – Nationalpark Hohe Tauern. Wissenschaftliche Schriften Nationalpark Hohe Tauern, Tyrolia Verlag: 216
  • REISIGL, H. & KELLER, R. (1999): Alpenpflanzen im Lebensraum: Alpine Rasen-, Schutt- und Felsvegetation. Vegetationsökologische Informationen für Studien, Exkursionen und Wanderungen. Spektrum Akademischer Verlag: 149
  • REISIGL, H. & KELLER, R. (1999): Lebensraum Bergwald: Alpenpflanzen in Bergwald, Baumgrenze und Zwergstrauchheide. Gustav Fischer Verlag: 145

Geologie der Dolomiten: Etschtaler Vulkanit-Gruppe

“Im Inneren des Erdballs hausen geheimnisvolle Kräfte, deren Wirkungen an der Oberfläche zutage treten: Als Ausbrüche von Dämpfen, glühenden Schlacken und neuen vulkanischen Gesteinen, als Auftreibungen zu Inseln und zu Bergen.”

Alexander von Humboldt

Die Landschaft um Bozen mit ihren ausgedehnten Hochflächen (Ritten) und Schluchten (Eggental) ist von rotbraunen Quarzporphyr geprägt. Quarzporphyr ist die veraltete Bezeichnung für das Vulkangestein Rhyolith, eine Ablagerung vulkanischer Glutlawinen, in dem Einsprenglinge von Quarz und Feldspat in eine feinen Grundmatrix auftreten. Heutzutage spricht man eher generell von Etschtaler Vulkanit-Gruppe (EVG), da es sich um eine komplexe am Festland geförderte Vulkanitabfolge aus intermediären bis felsischen Laven, Ignimbriten, pyroklastischen Brekzien, Tuffiten und vulkanoklastischen Sedimenten, die auf den Basiskonglomeraten (Waidbrucker Konglomerat) und südalpinen metamorphen Grundgebirge liegen, handelt. Das EVG in Südtirol ist das größte derartige Vorkommen in Mitteleuropa.

Die Umgebung von Bozen mit den roten, spärlich bewachsenen Felsklippen der EVG.
Die vereinfachte geologische Karte zeigt die Verteilung des kristallinen Grundgebirges, die intrudierten Plutone und die Etschtaler Vulkanit-Gruppe.

Ursprünglich wurde der „Bozner Quarzporphyr“ nach farblichen und örtlichen Varietäten unterschieden und bis in die 60er Jahre in drei große Gesteinsgruppen (basisch-intermediär bis sauren Vulkaniten) eingeteilt. Heutzutage erfolgt eine Einteilung nach vulkanischer Fazies, also zumeist Chemismus und Ablagerungsart. Petrologisch gesehen, handelt es sich um eine Abfolge von grüngraue, mafische bis intermediäre Laven und Ignimbriten (Basalt, Dazit, Andesit) und rote Laven und Ignimbriten (Rhyodazite, Rhyolithe). Am Ritten, Terlan und Nals treten Subvulkanite auf, Magmenkörper, die in seichten Krustentiefen steckengeblieben sind und besonders große Feldspateinsprenglinge aufweisen.

Aufschluss des Terlaner Subvulkanits mit bis zu 6 Zentimetern großen Feldspateinsprenglingen.
Ignimbrit der Auer-Formation, ehemalige Ablagerungen einer pyroklastischen Glutlawine, mit rötlicher Matrix aus Sanidin-Feldspat und größere Einsprenglinge aus Feldspat und Quarz. An der Spitze des Stiftes erkennbar eine der Glasscherbenschmitzen („Fiammen“), ein noch zähflüssiges Bruchstück von Lavagestein wurde durch überlagerndes Gestein zusammengedrückt.
Säulen in Ignimbrit der Auer-Formation bei Schloss Sigmundskron.
Pyroklastische Brekzie.
Aufschluss mit Fließgefüge in einem ehemaligen Lavastrom.

Die gesamte Abfolge wird als Füllung eines Caldera-artigen Einbruchbeckens gedeutet. Vor 275 bis 255 Millionen Jahre kam es zu heftigen vulkanischen Eruptionen entlang von Längsspalten, die vulkanisches Material ins Innere der Caldera ablagerten. Im Zusammenhang mit der Förderung der EVG wird auch das zeitgleich (280 bis 270 Millionen Jahre) Eindringen des Brixner Granit, Iffinger, Kreuzberg, Cima d’Asta Intrusionen und Klausenite Gänge gesehen.

Literatur:

  • AVANZINI et al. (2007): Erläuterungen zur Geologischen Karte von Italien Im Maßstab 1:50.000 Blatt 026 Eppan. APAT/Autonome Provinz Bozen Amt für Geologie und Baustoffprüfung
  • HANN, H.P. (2016): Grundlagen der Gesteinsbestimmung. Quelle & Meyer Verlag: 352
  • STINGL, V. & WACHTLER, M. (1999): Dolomiten – Das Werden einer Landschaft. Athesia Verlag: 149

Sagenhaftes Südtirol: Der Wald bewegt sich

Pflanzen können als „Stumme Zeugen“ Rückschlüsse auf Geländebewegungen zulassen.

Stumme Zeugen sind Spuren im Gelände, die auf ablaufende und rezente Massenverlagerungsprozesse qualitativ rückschließen lassen und bestenfalls quantitative Interpretationen zulassen.

Hübl et al. 2003

Von Rein hinaus ins Tauferer Tal führt der Weg zwei Stunden lang durch einen wildromantischen Wald. Überall liegen Steine und Felsblöcke umher, lins und rechts steigen die Berghänge fast senkrecht auf, hart neben dem Weg tost der Reiner Bach mit seinen schrecklichen Tobeln. In diesem Wald ist es auch unheimlich.

Man erzählt sich, dass wenn man sich Nachts von Taufers nach Rein auf den Weg macht, auf einmal der Reiner Wald in Bewegung kommt. Nicht nur Bäume, sondern ganze Steinkolosse heben sich und drohen auf den Wanderer harabzurutschen, und zwar mit einem so entsetzlichen Gepolter, dass es schien, als brüllten lauter wilde Tiere durch den Wald.

Diese Sage aus dem Ahrntal bezieht sich auf ein Gebiet mit Ablagerungen eines alten Bergsturzes. Vielleicht spiegelt die Erzählung Beobachtungen wieder, die tatsächlich vor einen Bergsturz gemacht werden können. Der Schweizer Geologe Albert Heim schreibt 1932 in seinem Buch „Bergsturz und Menschenleben“:

„Im Waldboden findet man Baumwurzeln über klaffende Spalten gespannt wie Seiten einer Violine, und kann an dieser Spannung den Fortgang der Bewegung in neuester Zeit erkennen. In einem in vollem Gange befindlichen Abrissgebiete kann im Wald ein heftiges Geknatter durch das Zerreissen der Wurzeln entstehen. … Natürlich werden im Gebiete von Schuttrutschungen die Bäume schief verstellt, wachsen nachher bei Stillstand wieder senkrecht nach oben, werden wieder verstellt usw. So können Bäume, besonders Tannen, im Laufe der Jahre zu einer vollen Chronik der Bewegung werden. Dies gilt für das Abrissgebiet, wie für die Fahrbahn und das Ablagerungsgebiet.“