Sagenhaftes Südtirol: Tiere im Sagenschatz des Tiroler Bergbaus

Die schwierige Suche nach Erzadern, neben geologischen Kenntnissen spielt auch Glück eine Rolle, führte dazu, dass das einfache Volk sich den Bergsegen in den Alpen nur durch zauberkundige Wesen oder unheimliche Kräfte erklären konnte – manchmal in der Gestalt von Tieren.

Der Teufel, erkennbar an seinen Bocksfüßen und gespaltenen Hufen, übergibt Knappen das Geheimnis einer reichen Erzader – zum Preis ihres Seelenheils. Aus der „Schweizer Bilderchronik des Luzerner“ des Diebold Schilling (1513).

Tiere spielen in mancher Sage zur Gründung eines Bergwerks eine wichtige Rolle, vor allem in der Steiermark, Tirol und im Salzburgischen Land. Meist sind es Pferde, Ochsen, Ziegen oder Jagdwild die mehr oder weniger zufällig eine Erzader anzeigen. Laut Sage wurde das Erz von Schwaz in Tirol durch einen wilden Stier entdeckt, der mit seinen Hörnern das Erdreich aufwühlte und so die Erzadern bloßlegte. Eine sehr ähnliche Sage erzählt man sich über die Entdeckung des Kupfers bei Prettau.

„Vor langer Zeit trieb ein Bauer einen Stier, den er auf dem Markt gekauft hatte, über den Alpenhauptkamm vom Zillertal ins Ahrntal. Der Bauer hatte seine liebe Not mit dem bösartigen Tier, kaum hatte er es mit dem Stock gebändigt, riss es sich los und stürmte vom Weg. Der Bauer folgte dem Tier, dass in seiner Wut ein großes Loch mit seinen Hörnern in den Boden gegraben hatte. Dem Bauer fielen einige Brocken und vor allem der goldene Glanz des Gesteins auf. Ein örtlicher Schmied bestätigte ihm, dass es sich beim Erzgestein zwar nicht um Gold (wie im Zillertal gefunden) handelte, aber doch um ein wertvolles Gut – nämlich Kupfererz.“

In einer Variante dieser Sage wirft ein Hirte einer störrischen Kuh einen Stein hinterher. Ein Berggeist, der zufällig vorbeikommt, ruft daraufhin aus: „Halt Bua! Da Stoan gilt mehr als d´Kuah!!“ Es stellt sich heraus, dass der Stein aus Erz oder Gold besteht. Selbst Paracelsus, der sich als Mediziner und Alchemist für Metallurgie und Bergbau interessierte, erwähnt diese Sage um 1603.

Halden des ehemaligen Bergbaus am Schneeberg, Passeiertal.

Neben Vieh treten in Sagen auch andere Tiere als zufällige Entdecker von Erzadern auf.

„Ein Graf, der Schlossherr von Straßburg, ritt einmal in das Pflerschtal auf die Jagd. Als er ganz drinnen bei den Felsen war, musste er vom Pferd steigen, um das Wild verfolgen zu können. Er band also den Gaul an einen Baum. Nach Stunden, wie er wieder zurückkam, sah er, dass das Pferd ein Loch in den Boden gescharrt hatte und aus diesem das gediegene Erz hervor funkelte. So wurde die erste Erzader in Pflersch entdeckt.“

Wilde Tiere spielen eher eine indirekte Rolle in den Sagen, wie dieses Beispiel, dass die Entdeckung von Silber am Schneeberg, erzählt:

„Einst zog ein Jäger aus dem Passeiertal in die Berge, um Gamswild und Steinböcke zu jagen. Als er zu Seemoos auf einem Felsblock ruhend die umliegenden Grate nach dem Wild abäugte, sah er plötzlich am Ufer des stillen Alpsees eine Frauengestalt sitzen, angetan mit einem silberschimmernden Kleid. Die winkte den Jäger zu sich und zeigte ihm funkelndes Edelgestein, das in ihrem Schoß lag. All die Schätze wollte sie dem Jäger geben und deren Fundstellen zeigen, wenn er ihr verspreche, abzulassen von der weiteren Jagd des unter ihrem Schutz stehenden Wildes. Sie drohte ihm aber auch mit schwerer Strafe, wenn er seinen Schwur brechen würde, und ebenso plötzlich war sie verschwunden. Der Jäger zerschmetterte seine Armbrust und leistet den Schwur, worauf das Salige Fräulein ihm Spalten voll Silbererz in den Felswänden zeigte. Stollen um Stollen wurden nun eröffnet, und überall fand sich reiches Erz. So viele Knappen wurden am Schneeberg beschäftigt, dass bald ein ganzes Dörflein mitten in der unwirtlichen Bergwelt entstand.“

Auch in Zusammenhang mit dem Verfall eines Bergwerks wird oft über Tiere berichtet, wie das Ende der Sage zeigt:

„In den alten Tagen des Jägers erwachte jedoch wieder die Jagdlust; er verfertigte sich eine neue Armbrust und erlegte an einem Sonntag einen prächtigen Gamsbock. Doch die Strafe folgte sogleich: ein Felsblock löste sich und zermalmte den Frevler unter seinen Sturz. Als die Knappen am nächsten Tag zur Grube kamen, fand sich kein Silbererz mehr, sondern bloß wertloses Blendegestein, das sich nicht schmelzen ließ.“

Alpengams (Rupicapra rupicapra).

Frevel gegenüber der Natur wird dementsprechend bestraft.

„Einst, so eine Sage aus Halle, zogen die verzogenen Knappen von Schwaz, nach einem ausgiebigen Gelage, einem zufällig vorbeikommenden Ochsen aus Jux die Haut bei lebendigen Leibe ab. Die Knappen fuhren danach in die Stollen ein, aber die Strafe für ihren Frevel folgte bald. Die Berggeister erwürgten jeden einzelnen von ihnen und die Stollen füllten sich mit Wasser. Noch heute fließt ein Rinnsal aus dem ehemaligen Bergwerk, noch immer blutrot gefärbt (vielleicht eine Anspielung an Erzauscheidungen aus dem Grubenwasser).“

Der (Rost-)rote Schlamm und die Eisenoxid-Krusten an dieser Quelle im Pfitschtal weißen auf einen hohen Metallgehalt im Gestein hin.

Diese Sage ist in Nord- und Südtirol in verschiedene Varianten, die sich hauptsächlich in den grausamen Details (so wird zusätzlich noch Salz auf den Wunden des Tieres gestreut) unterscheiden, recht verbreitet.

Literatur:

  • HEILFURTH, G. (1968):  Südtiroler Sagen aus der Welt des Bergbaus. An der Etsch und im Gebirge, Band 25: 75
  • PETZOLDT, L. (1990): „Knappentod und Güldenfluss“ zu den Bedingugen bergmännischer Folklore in Tirol. In AMMANN, G. Silber, Erz und Weisses Gold, Bergbau in Tirol, Innsbruck.

Erzpflanzen in den Alpen

Denn der Bergmann muß in seiner Kunst die größte Erfahrung besitzen, so daß er erstlich weiß, welcher Berg oder Hügel, welche Stelle im Tal oder Feld nutzbringend beschürft werden könne, oder ob er auf die Schürfung verzichten muß.“

Zwölf Bücher vom Berg- und Hüttenwesen„, I. Buch

Die Pflanzenwelt ist das Kleid der Erde, das als lebende und belebende Hülle ihre tote Masse bedeckt, die Starrheit ihrer Formen mildert und jeden Teil der Bergwelt recht eigentlich erst einen Reiz verleiht. Sie ist es, die unsere Matten gleich einen üppigen musterreichen Teppich vor die schroffen Felswände hinbreitet und die uns oft in den steilsten Gesteinsformationen noch mit zierlich prangenden Blüten erfreut – dort, wo jeder Pflanze  des Tieflandes der Standort zu eisig, der Hang zu steil und der Fels zu hart wäre. Mit auffallender Mannigfaltigkeit und mit seltenem Reichtum an Formen tritt die alpine Flora in den Bergen auf und erschließt ihre farbensatte Schönheit jedem, der sich ihr liebevoll naht, jedem, der in den niedlichen Kindern des Blumenreichs seine Aufmerksamkeit zuwendet. Wollen wir doch in Hinkunft nicht allein mit Bewunderung, sondern auch mit verständnisvoller Betrachtung uns mit den Eigenheiten der alpinen Flora beschäftigen, den tausendfältigen Beziehungen zu ihrer engeren und weiteren, zu ihrer toten und lebendigen Umgebung Aufmerksamkeit schenken – geleitet von dem Gedanken, daß die Alpennatur in ihrer ganzen Größe nur der richtig verstehen kann, der dieselbe auch im Kleinen, in ihrer Einzelheiten beachtet und betrachtet!

„Klimatisch-geologische Abhängigkeit der alpinen Flora“, Franz Tursky

Bereits prähistorische Prospektoren müssen gewisse Hinweise an der Oberfläche, die auf verborgene Schätze in der Tiefe hinweisen können, aufgefallen sein. Verwitterungsresistente Gesteine die Erz enthalten, wie z.B. Dolomit, konnten als Härtlinge in der Landschaft auffällige Formen bilden. Die Stelle, an der eine Erzader an die Oberfläche kommt, nennt der Bergmann Ausbiss oder aufgrund der rostigen Färbung auch Eiserner Hut. Ausbisse in einem Bachbett, in einer Erosionsrinne oder durch einen Hangrutsch freigelegt, Lesesteinkartierung im Hangschutt unter Felswänden, chemische Ausfällungen in Bächen, der metallische Geschmack von Quellen sowie Wachstumsanomalien oder bestimmte Pflanzenarten im Gelände können auf Erzadern hinweisen. 

Der metallische Geschmack des Wassers, aber vor allem der (Rost-)rote Schlamm und die Eisenoxid-Krusten weißen auf einen hohen Metallgehalt im Gestein hin.

Das Lesen dieser Hinweise schien Unkundigen oft geheimnisvoll. Dieses Wissen wurde im Mythos oft als Hexerei, oder zumindest Wissen das nur mit der Hilfe von zauberhaften Gegenständen zu erreichen war, verklärt.

Im Alpenraum spielen Sagen um die geheimnisvollen Venedigermandl eine große Rolle. Diese anscheinend italienischen Erzsucher besaßen große Kenntnisse, aber auch zauberhafte Utensilien wie den Bergspiegel, mit denen sie sozusagen in den Berg hineinschauen konnten. Der Ursprung dieses sagenhaften Werkzeugs ist nicht ganz geklärt. Vielleicht beruht es auf die Fähigkeiten der Prospektoren aufgrund Verfärbungen oder Strukturen an einer (glatten) Fels- oder Bergwand die Erzadern zu finden.

Georgius Agricola erklärt in seinem Textbuch „De re metallica“ wie die natürlichen Hinweise auf Erzadern im Gelände zu finden und zu beurteilen sind – darunter auch bestimmte Pflanzen.

Schließlich muß man auf die Bäume achten, deren Blätter im Frühling bläulich oder bleifarben sind, deren Zweigspitzen vornehmlich schwärzlich oder sonst unnatürlich gefärbt sind … auch wächst auf einer Linie, in der sich ein Gang erstreckt, ein gewisses Kraut oder eine gewisse Pilzart … dies sind die Hilfsmittel der Natur, durch die Gänge gefunden werden

Kümmerwuchs von Pflanzen, verursacht durch die Toxizität bestimmter Schwermetalle und Erze im Boden, wurde auch von anderen Gelehrten beschrieben. So listet Georg Grandtegger um 1731 bei der Beschreibung des Prettauer Kupfer-Bergwerks auf, dass:

Wenn das Gras oder die Kräuter auf der Erde nicht die rechte Farbe haben oder vor der Zeit verdorren und wenn die Erde kein Gras trägt, so ist das ein Zeichen, daß darunter Erz zu finden ist.“

Findet man Bäume in einem Wald, die ihr Laub vor der rechten Zeit färben oder Mißbildungen in den Wipfeln aufweißen, so ist das ein Zeichen, daß darunter Erz zu suchen ist.“

Findet man alte Baumstöcke in der Erde, die ganz dürr und noch frisch sind, so ist das ein Zeichen von Erz.

Wenn eine Wassergisse ein Gebirge abbläst, soll man schauen, ob ein Baum samt der Wurzel umgefallen ist. Er deckt oft Erz ab.“

Der deutsche Arzt und Botaniker Johannes Thal (1542-1583) beschreibt in seinem „Sylva Hercynica“ die Frühlings-Sternmiere Minuartia verna als Pflanze die wiederholt an erzhöffigen Standpunkten vorkommt. Der Italiener Andrea Cesalapino beschreibt die, heutzutage treffend bezeichnete, Steinkraut-Art Alyssum bertolonii von Serpentinit-Vorkommen im Bereich des Tiber, eine der ersten publizierten geobotanischen Beobachtungen überhaupt. Allerdings wird oft noch kein Zusammenhang zwischen Gestein und Vegetation hergestellt. Der Humusgehalt der verschiedenen Böden wird als bestimmender Faktor des Pflanzenwuchs angenommen. In 1789 bemerkt der Naturwissenschaftler Heinrich Friedrich Link (1767-1851):

…dass die Pflanzen, die auf trockenem Kalkboden vorkommen, von den anderen, die auf feuchtem tonigem Boden entstehen, verschieden sind.

Der französische Naturforscher Jean-Ètienne Guettard, der auf der Suche nach medizinisch interessanten Kräutern war, bemerkte eine Verteilung der Pflanzen auf bestimmte Gesteinsarten. In 1780 publizierte er mit diesen Daten in seinem „Atlas et Description Minéralogiques de la France” eine Art geologische Karte. Aber erst der österreichische Arzt und Botaniker Franz Unger (1800-1870) stellt in seinem 1836 publizierten Werk „Über den Einfluß des Bodens auf die Verteilung der Gewächse“ einen direkten Zusammenhang zwischen Vegetation, Boden und Gestein fest. Er billigt den chemischen Eigenschaften des Bodens eine entscheidende Rolle zu und unterscheidet Kalkpflanzen und Tonschiefer- oder Kieselpflanzen. Bereits zwei Jahre später veröffentlicht G. F. Ruehle ein umfangreiches Verzeichnis von „kalksteter“ und „urgebirgssteter“ Arten im Alpenraum. Um 1882 wird schließlich der Begriff Erzpflanzen, um 1926 „Schwermetallpflanzen“ bzw. um 1963 „Metallophyten“ eingeführt, also Pflanzen die hohe Metallkonzentrationen im Untergrund tolerieren.

Schwermetalle, die aus den Abraumhalden des Bergbaus in den Boden gelangen, behindern das Wurzelwachstum, sodass die Pflanze abstirbt. Häufig ist in unmittelbarer Umgebung von Erzlagerstätten die Bodenchemie verändert, durch Sulfide oder Schwermetalle verseucht oder der Boden ist sehr nährstoffarm. Besonders toxische Elemente für Pflanzen sind Blei, Kupfer, Cadmium, Zink, Nickel, Chrom und Kobalt. Es kann daher in diesen Bereichen zu Kümmerwuchs, schütteres Gras oder das Fehlen von anspruchsvollen Baumarten wie Lärche, Tanne und Buche kommen. Manche Pflanzen – Metallophyten oder Zeigerpflanzen – tolerieren hohe Metallkonzentrationen. Solche bodenanzeigende Pflanzen reagieren offenbar mit der Bildung bestimmter Proteine in ihren Zellwänden auf Schwermetalle. Diese binden die Metalle und schirmen sie ab und schützen so die Zellfunktionen. So gilt das Vorkommen bestimmter Wildpflanzen als sicheres Zeichen für Erzlagerstätten dicht unter der Erde.

Zeigerpflanzen oder spezielle Pflanzenassoziationen können direkt auf Erzspuren im Boden hinweisen, selbst bei schlechten Aufschlussverhältnissen. Wichtige Erzpflanzen, die auch der Geologe kennen sollte, sind das Taubenkropf-Leimkraut (Silene vulgaris und – inflata), die Schaumkresse (Arabidopsis halleri), das Stiemütterchen (Viola sp.), die Grasnelke (Armeria sp.) und die Frühlingsmiere (Minuartia sp.). Am Schneeberg tritt das Alpenleinkraut (Linaria alpina), Alpenmiere (Minuartia gerardii), Einblütige Hornkraut (Cerastium uniflorum) und der Rote Steinbrech (Saxifraga oppositifolia) auf Bleiglanz, Zinkblende und Kupferkies-haltigen Erzboden auf.

Seit jeher schürfen die Menschen nach den Schätzen der Erde und versprechen sich Reichtum und Glück. Generationen von Knappen und Bergleuten gruben tiefe Stollen in die Berge auf der Suche nach Edelmetallen und Erzgestein. Noch heute prägen Abraumhalden die Hochebenen. Die Halden werden von Erzpflanzen besiedelt , wie hier in Ridnaun durch das Alpenleinkraut (Linaria alpina).
Alpenmiere (Minuartia sp.).
Alpen-Frühlings-Miere (Minuartia gerardii), Erzhalde Schneeberg.
Felsen-Leimkraut (Atocion rupestre), Erzhalde Schneeberg.

Literatur:


Tunnelbau in den Alpen

„Als noch drei Ellen zu durchstechen waren, so vernahm man die Stimme des einen, der dem anderen zurief, denn es war ein Spalt im Felsen … Und am Tage der Durchstechung schlugen die Steinhauer entgegen, Hacke auf Hacke.“

Beschreibung des Durchschlags des Soloha-Tunnels in Israel, der vor 2.700 Jahren als Bewässerungskanal angelegt wurde.
Der Bau des Mont-Cenis-Tunnels zwischen Italien und Frankreich.

Kein anderes Hochgebirge der Erde ist von so vielen Tunnels durchzogen wie die Alpen. Es existieren mehr als 720 Kilometer Tunnellänge. Bereits in der frühen Bronzezeit wurden Stollen und Schächte angelegt für den Abbau von Kupfererz. In Nordtirol wurde ein 25 Meter langer Schacht auf ein Alter von 2.800 Jahren datiert. Die aufwendigen Anlagen für Erzabbau und –schmelze weisen darauf hin, dass hier professionelle Bergleute am Werk waren. Knochenreste zeigen weites an, dass sie gut versorgt wurden, mit Fleisch von Schwein, Schaf, Ziege und Rind (wobei Ochsen auch als Zugtiere verwendet werden konnten). Überraschenderweise war der konventionelle Vortrieb, mit Hammer, Meißel und Muskelkraft, noch weit bis ins 17.Jahrhundert üblich. Erste Versuchssprengungen mit Schwarzpulver wurden um 1627 durchgeführt. Der 1679-1681 ausgeführte Malpas-Tunnel in Frankreich war der erste durch Sprengungen aufgefahrene Verkehrstunnel. Im Jahr 1857 wurden am Mont-Cenis-Tunnel zwischen Frankreich und Italien zum ersten Mal hydraulische Bohgeräte eingesetzt und in 1867 erfand Alfred Nobel das Dynamit, das sicheren Sprengstofftransport und Sprengungen im Berg ermöglichte.

Tunnelbohrmaschine um 1881.

Franz von Rziha verfasste in 1872 das umfassende „Lehrbuch der gesammten Tunnelbaukunst“ und führte mit der „Gesteinsclassification für Tunnelbauten“ die sieben Gesteinsklassen ein, die auch noch heute im Tunnelbau zur Anwendung kommen um das Gebirge nach geotechnischen Gesichtspunkten einzuteilen – denn mineralogisches Gestein ist nicht gleich geotechnisches Gestein.

Es giebt, um thatsächliche Beispiele anzuführen, Kalk- und Sandsteine, die vom Mineralogen mit einem und demselben Härtegrad belegt und von ihm in ein und dieselben Klasse gereiht werden, welche aber der Gewinnungsarbeit so verschiedenartige Aufwand abringen, dass jene Fälle nicht selten sind, wo die Gewinnungskosten in einem Falle noch einmal so viel, als in dem anderen betragen.

Die Alpen bestehen aus einem Stapel von bis zu 15 Kilometer dicken Decken, die um 10 bis 200 Kilometer über das darunter liegende Grundgebirge geschoben wurden. Große Störungszonen und Falten kennzeichnen daher das Gebirge. Wenn ein Tunnel aufgelockerten Fels durchörtert, kann der Fels sich lösen und in den Tunnelquerschnitt eindringen. Geologen erstellen daher ein geologisches Modell, um Schwächezonen rechtzeitig zu erkennen. Die Tunneltrasse kann dann angepasst werden, z.B. Störungszonen vermieden werden oder bestimmte Tunnelabschnitte werden mit Stahlbögen und Gebirgsankern verstärkt. Der im Jahr 1911 fertiggestellte 13.735 Meter lange Lötschbergtunnel in den Schweizer Alpen, war der erste Tunnel, bei dem geologische Vorerkundungen durchgeführt wurden.

Der bisher längste Tunnel in den Alpen ist der 57 Kilometer lange Gotthard-Basistunnel, der 2016 fertiggestellt wurde. Auch hier mussten mehrere Störungszonen durchörtert werden. Wenn der Brenner-Basistunnel im Jahr 2026 fertiggestellt wird, wird er mit einer Länge von 64 km die längste unterirdische Eisenbahnverbindung der Welt sein. Der Tunnel hat im Jahr 2014 die Periadriatische Naht durchörtert, eine der größten Störungszonen in den Östlichen Alpen.

Gneis-Block aus dem Gotthard Basistunnel – der helle Leventina-Gneis geht im Bereich des Gotthardmassivs zum dunkleren, stark verfalteten Lucomagno-Gneis über.

Literatur:

  • RZIHA, F. (1872): Lehrbuch der gesammten Tunnelbaukunst. Ernst & Korn Verlag: 900

Sagenhaftes Südtirol: Hexensabbat auf dem Schlern

In der Walpurgisnacht, die Nacht zum 1. Mai, treffen sich nach dem Volksglauben die Hexen und Zauberer an bestimmten Orten, wie Waldlichtungen, Richtstätten oder auf markanten Bergen, um den „Hexensabbat“ zu feiern. Einer dieser angeblichen Treffpunkte ist der 2.563 Meter hohe Schlern.

Die steilen Nordwände des Schlerns.

Hexen vom Lengstein am Ritten, vom Nonsberg und vom Sass de Stria trafen hier auf die Schlernhexen. Man speiste und trank und alle tanzten unermüdlich im Hexenring bis zum Morgengrauen. Dabei trat auch der Teufel selbst in Erscheinung, oft in der Gestalt eines Ziegenbocks.

Der Teufel heißt im Pustertal “Tuifl” und erscheint oft in der Gestalt eines halb Mensch und halb Geißbock Mischwesens.

Unter der Anleitung des Teufels lernten Hexen und Hexenmeister angeblich auch Schadenszauber. Mit Hilfe von Zauberformeln und Zaubertränke konnten Mensch und Vieh verhext und Krankheiten verursacht werden. In Wölfe verwandelt, wurde von den Hexen auch das Vieh auf den Weiden gerissen. Am schlimmsten war der Wetterzauber. Durch Peitschen des Wassers wurden Gewitter heraufbeschworen, aus Wasser und Steinen wurde Hagel gemacht und mit anderen Zaubereien wurde Eis und Stürme heraufbeschworen. Dieser Aberglaube führte im Mittelalter auch zur grausamen Hexenverfolgung, da man die angeblich Schuldigen an Unwetter und Unglück bestrafen wollte. Hexenprozesse fanden auch in der Nähe des Schlern statt, nämlich bei Schloss Prösels in Völs.

Erst im Morgengrauen verschwand der Spuk, wenn der Teufel zurück in die Hölle musste und sich die Hexen und Hexenmeister wieder in alle Winde verstreuten.

Der Schlern ist ein ehemaliges Meeresriff, das sich über vulkanische Gesteine erhebt. Der Gipfel wird von einem breiten Hochplateau eingenommen, das übrig blieb als der überdeckende Hauptdolomit abgetragen wurde. Das Hochplateau wurde seit mindestens der Bronzezeit von Menschen genutzt. Es verwundert daher nicht, dass auch zahlreiche Sagen hier angesiedelt sind.

Schematische Übersicht der Schichtabfolgen in den Südtiroler Dolomiten (verändert nach Brandner et al., 2007). Zur besseren Orientierung im Schichtaufbau sind einige typische Bergkulissen, wie der Schlern und Seiser Alm, abgebildet.

In den vulkanischen Gesteinen können typische Abkühlungsklüfte gefunden werden, die Basaltsäulen bilden. Die sechseckigen Querschnitte werden in den lokalen Sagen als „Hexenstühle“ bezeichnet, da sie – so die Sage weiter – während des Hexensabbat als Sitzgelegenheiten für Hexen und Dämonen dienen. Eisenhaltigen Konkretionen die in den Verwitterungsresten der Sedimentgesteine gefunden werden können, wurden in der Sage als Nägel, die aus den Schuhen der tanzenden Hexen herausgefallen sind, gedeutet.

Basaltsäulen im Profil. Die fünf- bis sechseckigen Säulenmuster gehen auf Abkühlungs-schrumpfung der Gesteinsschmelze im Untergrund und die dabei entstandenen Spannungen zurück. Ähnliche Felsgestalten sind auch auf dem Puflatsch sichtbar, gehen ebenfalls auf etwa 234 Mio. Jahre zurück und bilden die bekannten „Hexenstühle“.
Die „Hexenstühle“ auf der Seiser Alm, eigentlich verwitterte Querschnitte von Basaltsäulen.
Ein weiterer „Hexenstuhl“ kann im Bergsturzschutt von Puflatsch bei Kastelruth-Seis gefunden werden. Diese Ereignisse sind uns in Sagen überliefert, im Falle von Seis in der Überlieferung der sündigen Stadt „Trotz” am Fuße des Berges. Die Stadt wurde durch einen auslaufenden See bei ,,Unternon” unterhalb der Seiser Alm weggeschwemmt. Wissenschaftlich kann dieses Ereignis an ausgegrabenen Baumstämmen auf ein Alter von etwa 1000 Jahren festgelegt werden (um die Jahrtausendwende zwischen 1000 und 1200 n. Chr.) (NÖSSING & CARRARO 2008).

Literatur:

Conrad Gessner: Von der Alpengams zur Alpengeologie

„Welches Vergnügen, welche Wonne gewährt es doch dem Geiste, die ungeheuren Bergmassen zu bewundern und das Haupt bis in den Wolken zu erheben! … Welches Vergnügen kann wohl in dieser Welt so hoch, so wertvoll, so vollkommen sein wie das Bergsteigen?“

Conrad Gessner in einem Brief von 1541.

Waren in der Antike und im Mittelalter die Alpen noch als schrecklicher, weil schwer zu bewirtschaftender und zu bereisender, Ort betrachtet, ändert sich dies im 16. Jahrhundert langsam. Naturforscher beginnen die Berge zu besteigen und zu erforschen, nicht nur um Pflanzen und Mineralien zu sammeln, sondern auch aus Freude an der Aufgabe. Im August 1555 erklomm der Arzt und Naturforscher Conrad Gessner als einer der Ersten den 2.128 Meter hohen Berg Pilautus bei Luzern und veröffentlichte eine genaue Beschreibung seiner Bergbesteigung.

Gessner wurde am 26. März 1516 als Sohn eines einfachen Kürschner in Zürich geboren. Er hatte ein natürliches Talent für Sprachen und mit finanzieller Unterstützung eines Großonkel und seiner Lehrer studierte er Medizin in Basel. Er machte rasch Karriere und ab 1554 wirkte er als Oberstadtarzt in Basel. Er liebte das Sammeln von Kuriositäten wie exotische Tiere, getrocknete Pflanzen, Edelstein, Mineralien und Fossilien. Pflanzen und Mineralien spielten außerdem in der damaligen Medizin eine wichtige Rolle als Materia medica, als natürlich vorkommende Heilmittel.

Er veröffentlichte „Historia animalium“ (1551-1558) und „De omni rerum fossilium genere,…()“ (1565), das erste gedruckte und bebilderte Buch über Fossilien. Sein „Historia plantarum“ blieb leider unveröffentlicht, da er kaum 50-jährig an der Pest erkrankte und verstarb.

„Historia animalium“ wurde später als „Allgemeines Thierbuch“ ins Deutsche übersetzt. Es sollte eine Art Nachschlagewerk über alle bekannten Tiere werden. Jede Tierart wird in einer Abbildung mit begleitenden Text vorgestellt, wobei die Abbildungen und Beschreibungen teilweise von älteren Autoren übernommen wurden. Im Gesners Buch findet man auch die älteste gedruckte Abbildung einer Alpengams (Rupicapra rupicapra) neben anderen typischen Tieren der Alpen.

„Allgemeines Thierbuch“ (1669).
Alpengams (Rupicapra rupicapra).

In seinem Werk „De omni rerum fossilium“ stellt er neben Fossilien, Geoden, Kristalle und Steinartefakte auch Gesteine dar, wobei es trotz der hohen Qualität der Abbildungen auch zu einigen Fehlern kommt. In der Darstellung durch den Künstler Johannes Kentmann der Basaltsäulen des Burgberges von Stolpen (Lausitz-Sachsen) werden diese als große Kristalle, mit Prismenspitze, gezeigt.

Dieser Aufschluss wurde bereits um 1520 erwähnt, als Carolus von Miltitz ein Handstück des Basalts nebst einen Begleitbrief an Friedrich den Weisen sandte. Im Jahre 1546 nutzt Georgus Agricola in seinem „De Natura Fossilium“ den Namen „Basalt“ zum ersten mal für diesen Aufschluss und ersetzt damit den älteren Begriff – eingeführt vom römischen Naturgelehrten Plinius – „Basanit.“

Auch in den Alpen können Basaltsäulen gefunden werden, zum Beispiel in den Dolomiten. Es handelt sich um 228-237 Millionen Jahre alte Basalt-Intrusionen in das ehemalige Meeresbecken des Schlern-Riffs.

Basaltsäulen am Schlern.