Stoanklauber in Tirol

„Es ist fast nichts in dem Mineralreiche, wovon Tirol nicht etwas besitzt.“

Josef v. Sperges, 1765
Das Tauernfenster auf der „Geognostische Karte Tirols„, um 1849. Das Zusammentreffen von verschiedenen Gesteinsarten – Sedimente und Lavagestein des Penninischen Ozeans und Gneise des europäischen Kontinents – verbunden mit der Metamorphose durch die Auffaltung der Alpen vor 60 bis 30 Millionen Jahre, führte zur Bildung vieler verschiedener Minerale, die heutzutage in den Tiroler Bergen gefunden werden können.

Die „Stoansucherei“ ist ein steinaltes Gewerbe. Bereits vor 9.600 Jahren suchten die Menschen die Gipfelregionen der Tiroler Alpen auf, um Bergkristall zu sammeln und aus diesen Steinwerkzeuge herzustellen. Abbau von Kupfererz ist in Südtirol ab ungefähr 1.300 v.Chr. nachgewiesen. Bei St. Lorenzen wurden Hinweise auf Kupferverarbeitung in der Frühen und Mittleren Bronzezeit gefunden. Vom Ternerbühel stammt eine steinerne Gussform für Kupferbeile und auf der Kleinen Pipe bei St. Georgen ist ein Stück eines Gusskuchens erhalten geblieben. Welche Kupfererzlagerstätte zwischen Pfundererberg, dem Tauferer- und Ahrntal genutzt wurde ist allerdings unbekannt. Im späten Mittelalter und der frühen Neuzeit erlebte der Bergbau hier eine Blütezeit.

In 1558 verfasst Georg Rösch v. Geroldshausen die älteste bekannte Aufzählung von Tiroler Mineralien. Er listet hauptsächlich Erze und Gesteine auf, die in den verschiedenen Bergwerken abgebaut werden, erwähnt aber auch Minerale die auf den vergletscherten Gipfeln der Tauern gefunden werden können.

„Granaten, Talggen, Kobolt, Federweiss: Die Malochiten haben ihren Preyss; … Crystallen darbey, durchsichtig weiss. … der edle Lapis Armenus [hier vermutlich Azurit], Den man sunst bringt aus fernen Landten, Der ist auch in Tyrol vorhandten.“

Um 1581 berichtet Ladurner, dass die Bewohner des Zillertals mit dem Abbau von Federweiss (Asbest und Talk vom Hollenzen, Greiner und Rotkopf) etwas Geld dazuverdienen. In 1745 entdeckt der Bauer Andrä Kreidl auf der Gamspirsch am Roßrücken im hintersten Zillertal die ersten Granate und beginnt zwei Jahre später mit dem Abbau für Schmucksteine.

Der Roßrücken im hintersten Zillertal teilt den Gletscher in Hornkees und Waxeggkees. Alle drei Bereiche sind bekannt für ihren Mineralreichtum, insbesondere für die Granate. Die Almandine finden sich im Bereich des Roßrückens in lauchgrüne, feinkörnige Chlorit-Biotitschiefer. Im Bereich der Gletscher handelt es sich bei dem Muttergestein hingegen um einen Granitgneis.

In 1738 beschreibt Anton Reschmann in seinem „Regnum animale, vegetabile et minerale medicum Tyrolense“ die „Carbunculi calcedoni“ – vermutlich Granate – im Tauferer Tal. In 1777 beschreibt Ritter Erenbert von Moll die Mineralien die in Tirol gefunden werden können:

„Gold in Quarz und Schiefer mit goldischem, silberhältigen Marcasit … Silber in Bleyglanz … Bley …. Eisen in Schiefer … Kobald … Granaten … Grüner und schwarzer Störl [und] Sinectis (Talk) vom Greiner.“

Im Sommer 1777 wurden in herabgestürtzten Talk-Chlorit-Blöcken vom Greiner schwarze, wirrstrahlige angeordnete Kristalle bis über 10 Zentimeter Länge gefunden. Der kaiserlich-königliche Direktoratsrat in Tirol und Naturforscher Franz Joseph Müller vermutete, dass es sich um Turmalin handeln könnte und führte weitere Untersuchungen durch. Das Vorkommen von „Störl oder Schörl“ am Greiner ist auch der erste Fund von Turmalin in Europa überhaupt (vorher nur von Ceylon und Brasilien bekannt).

Abbildung von Turmalin-Kristallen vom Greiner (Zillertal) aus „Nachricht von den in Tyrol entdeckten Turmalinen oder Aschenziehern„, Franz Joseph Müller von Reichenstein (1778).
Turmalin Kristall in Chloritschiefer vom Pfitschtal. Es handelt sich um dieselbe Gesteinsformation die zum Greiner ins Zillertal hinüberzieht. Etikette von der Brendler Sammlung, um 1923.

Ein weiterer Forscher der in 1784 ins Zillertal reiste ist Belsazar Hacquet. In „Hacquets Mineralogisch-botanische Lustreise von dem Terglou in Krain zu dem Berg Glokner in Tyrol“ (1784) berichtet er von einem Jäger, der ihm in Breitlahner Stufen mit Granat und „Strahlschörl“ (wohl Aktinolith) verkauft.

Die ersten Mineralien wurden bereits im 16. Jahrhundert an den Fürstenhöfen Europas als Kuriositäten gesammelt. In Tirol legt Erzherzog Ferdinand II. (1529-1595) auf Schloß Ambras eine bedeutende Sammlung an, die auch Kristalle aus dem Zillertal umfasst. Aber erst im 19. Jahrhundert wird das Mineraliensuchen und -sammeln auch für weniger begütete Sammler erschwinglich. Um 1796 werden die ersten „Stuffenhändlern“ erwähnt, Leute die in den Bergen nach Mineralien und Gesteine suchen und nach Augsburg und München verkaufen. Selbst Johann Wolfgang von Goethe besitzt eine „Suite“ mit 37 Tiroler Mineralien – darunter schöne Diopside, Granate, Bergkristall, Cyanit, Tremolith, Pyroxen, Eisenglanz, Apatit und Idiokras (Vesuvianit) – die er von seinem Gönner Großherzog Carl August geschenkt bekommen hat.

Wäre der von Alois Pfaundler in 1803 vorgeschlagene „Mineralogisch-geognostischen Vereins in Tirol“ auch tatsächlich gegründet worden, wäre Tirol auch das erste Land mit einem eigenen Mineralienverein geworden. So aber wird der erste Mineralienverein in 1807 in London gegründet, gefolgt in 1830 von Paris, in 1836 von Tirol und in 1848 von Berlin. Das Mineraliensammeln ist von einem einfachen Zusammentragen von Naturkuriositäten zu einem wissenschaftlichen Hobby geworden.

Es werden auch die ersten Mineralienführer veröffentlicht. In 1821 veröffentlicht Wilhelm, Edler von Senger das erste Mineralienbüchlein mit dem Titel „Versuch einer Oryctographie der gefürsteten Grafschaft Tyrol“, gefolgt in 1852 von Karl Doblickas „Tirols Mineralien“ und Leonhard Liebeners „Die Mineralien Tirols.“ Der Südtiroler Naturhistoriker Georg Gasser veröffentlicht in 1913 sein umfassendes Standardwerk über „Die Mineralien Tirols.“

Und wo es eine Nachfrage für immer neue Mineralstufen gibt, da gibt es auch einen Markt.

Um 1850 öffnen die ersten Mineraliengeschäfte, die Stufen und Mineralien-Partien an interessierte Sammler anbieten. Der Mineralienhändler Kassian Mayr aus Straß bietet zum Beispiel „grünen Augit, Granat, Turmalin, verschiedene Quarzkristalle, Chalcedon, Prehnit, Zeolith, Analcim, Adular, Periklin, Apatit, Liebenerit, Egeran“ und andere Minerale an. Um 1870 erlebt der Handel mit Tiroler Mineralien und Edelsteine eine Hochblüte.

Literatur:

  • FRUTH, L. (1975); Mineral Fundstellen – Band 1 Tirol Salzburg Südtirol – Ein Führer zum Selbersammeln. Christian Weise Verlag: 208 Seiten
  • Glas et al. (1997): Zillertal: Das Tal der Gründe und Kristalle. extraLapis Nr. 12: 96
  • HOSSFELD, J. (1977): Die Mineralien im Sterzinger Gebiet – Einige Hinweise zu den Fundorten Alpiner Mineralien im Gebiet um Sterzing. Klub Eisacktaler Mineraliensammler, Athesiadruck Brixen: 75 Seiten